Abschied von Chautauqua
wusste, kerngesund war. Vielleicht war das nach Henrys Tod nur natürlich, doch Lise fand es einfach krankhaft. Sie hatte den Verdacht, dass die Geschichten, die Emily erzählte, etwas damit zu tun hatten, wie er sie oder sie ihn in seinen letzten Wochen behandelt hatte, obwohl Ken sagte, alles sei besser gelaufen als erwartet. Jedenfalls fand Lise, dass Emily das Mitgefühl aller ausnutzte und kaum verschleiert immer wieder davon anfing.
«Will noch jemand Calimari haben?», fragte Sam und reichte Lise mit zittrigen Händen die Platte.
«Ich glaube, wir haben genug», erwiderte sie, aber er hatte es getan, um Platz zu schaffen, damit er und Justin auf ihrem Tischset Wörter suchen konnten. Sie griff über ihren Wein hinweg und stellte die beiden Platten aufeinander. Sie dachte, dass der Hauptgang bald kommen musste. Die Kellnerin hatte sie schon einmal getäuscht und den Klappständer für den Tisch neben ihnen aufgestellt.
«Ihr müsst doch zugeben, dass Mr. Bush ein Schwachkopf ist», sagte Emily gerade, und Lise musterte Ella, die mit ihren Perlen hübsch aussah und an ihrem noch unberührten Erdbeer-Daiquiri nippte.
Auf der anderen Seite des Saals feierte jemand Geburtstag, die ganzen Kellner brachten an seinem Tisch ein Ständchen, und ein Blitz lähmte die Luft.
«Da fällt mir ein, Lisa», sagte Emily. «Was wünschst du dir zum Geburtstag?»
Das musste ja kommen. «Keine Ahnung. Nichts.»
«Wirklich? Gar nichts?»
«Das meine ich ernst, Emily. Ich hab alles, was ich brauche.» Ken tätschelte ihren Schenkel, und sie hielt seine Hand fest.
«Ich weiß, es ist noch früh, aber ich will mich rechtzeitig darum kümmern. Wenn du eine Idee hast, sag mir Bescheid.»
«Mach ich.»
Toll, jetzt würde Emily es als Vorwand benutzen, um ihr die nächsten beiden Monate in den Ohren zu liegen. Sie musste in ihren Katalogen blättern und sich irgendetwas einfallen lassen. In der Gesprächspause lächelte sie Ken an, um ihm zu zeigen, wie gut sie sich amüsierte, und er lächelte zurück.
Die Kellnerin kam vorbei, um zu sagen, dass ihr Essen gleich so weit sei, und fragte, ob sie noch etwas zu trinken haben wollten. Ja, Sam durfte noch eine Slice haben, doch das war's dann für diesen Abend. Lise hatte ihren Wein ausgetrunken, hielt sich aber wie die anderen Meg zuliebe zurück, außerdem musste sie fahren.
«Mit dem zweiten Getränk ziehen sie einem das Geld aus der Tasche», sagte Emily, als die Kellnerin gegangen war. «Jetzt kommt eine Frage an euch alle. Hat jemand von euch irgendetwas darüber gehört, was sich im Jachthafen abgespielt hat?»
Zum Glück wusste niemand etwas. Lise fand, dass dieses Thema eigentlich nichts für die Kinder war. Ella und Sarah taten so, als würden sie nicht zuhören.
«Wisst ihr, was komisch ist», fuhr Emily fort. «Dass niemand angerufen und das weiterverfolgt hat, was wir ihnen erzählt haben.»
«Du meinst Ken», verbesserte Lise.
«Man sollte meinen, dass sie bei einem so wichtigen Einsatz gründlicher vorgehen. Wenn sie in einem bestimmten Gebiet suchen, würde man erwarten, dass sie die Leute, die dort wohnen, fragen, ob ihnen irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen ist.«
«Ist denn jemandem was Ungewöhnliches aufgefallen?», fragte Arlene.
«Du weißt schon, was ich meine. Zum Beispiel, dass die Alarmanlage der Lerners losgegangen ist. Man sollte meinen, dass sie an solchen Informationen interessiert wären.»
«Vielleicht haben sie genug Informationen», sagte Meg. «Wer weiß, wonach sie gesucht haben. Sie könnten nach einer Waffe gesucht haben. Sie könnten auch jemanden verhaftet haben, der ihnen gesagt hat, wo sie nachsehen müssen.»
«Vielleicht ist das Rätsel längst gelöst», warf Ken wohlüberlegt ein, und sie merkte, dass er etwas verbarg. Er wollte, dass sie das Thema wechselten und sein Mädchen in Ruhe ließen.
«Glaubst du nicht, dass sie noch am Leben sein könnte?», fragte Lise.
Sie konnte nicht widerstehen. Dass sie sich für das Gemeinste entschied, was sie sich vorstellen konnte, und ihm keinen Ausweg ließ, zeigte, wie tief ihre Eifersucht saß.
Und dann kam ihm Emily zu Hilfe und sagte: «Nach einer Woche halte ich das für unwahrscheinlich.»
«Ich auch», pflichtete ihr Arlene bei.
Lise hatte vergessen, dass sie hier keine Verbündeten hatte. Jetzt brauchte sie noch einen Wein, Meg hin oder her.
Das Essen kam, eine
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