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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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den Regen. Die Fliegentür klappte zu schnell zu, der Sack blieb an einer scharfen Ecke hängen, Emily wurde nach hinten gezogen, und ein kalter Tropfen fiel ihr in den Klagen. «Komm schon, blödes Ding», sagte sie und zerrte an dem Sack. Er riss sich los, hatte jetzt aber ein weißes Loch, aus dem ein zerknülltes Papiertaschentuch hervorschaute. Es war schon schlimm genug, dass es regnete, da konnte sie auf so einen Unsinn gut verzichten.
      Sie hatte genug zu tun. Sie musste noch das Geschirr vom vorigen Abend spülen, und die Ansichtskarte an Louise Pickering musste auch heute abgeschickt werden, sonst würde sie erst ankommen, wenn Emily wieder zu Hause war, und das war sinnlos.
      Auf dem Weg zur Garage hörte sie, wie das Kreischen einer Motorsäge und das laute Pochen von Hammerschlägen aus dem neuen Anbau der Smiths hallte. Der Anbau war größer als das Sommerhaus und versperrte den herrlichen Blick, den man von der Straße aus gehabt hatte. Wegen der Genehmigung hatte es in der Hausbesitzervereinigung erbitterten Streit gegeben. Für die Lerners war es ein weiterer Grund gewesen zu gehen, auch bei Emilys Entscheidung, das Haus zu verkaufen, war es ein nebensächlicher, aber quälender Begleitumstand gewesen. Der Manor Drive war nicht mehr das, was er gewesen war, als Henry sie zum ersten Mal hergebracht hatte.
      Sie hatte ihre alten Tennisschuhe an, deshalb war sie auf den Steinplatten vorsichtig und machte die Tür ganz auf, bevor sie den Müllsack in die Garage zog. Sie schob die mit Rädern ausgestattete Mülltonne ein Stück vor und stellte fest, dass schon etwas drin war. Ein Bungeeseil, das durch den Griff auf dem Deckel gezogen war, schützte die Tonne vor Waschbären. Sie machte das Seil los, klappte den Deckel auf und sah einen Sack vom letzten Jahr, in dessen Falten sich dunkle Flüssigkeit gesammelt hatte; als ihr der säuerliche Geruch entgegenschlug, wandte sie sich ab und klappte den Deckel zu. Sie holte tief Luft, öffnete die Tonne noch einmal, hievte den frischen Sack hinein und schlug den Deckel wieder zu.
      Sie musste kurz an die frische Luft. «Großer Gott», sagte sie, ohne die ringsum fallenden Tropfen zu beachten. Kenneth schlief bestimmt noch. Die Kinder würden gleich herunterkommen, dann brauchten sie ihr Frühstück. Sie konnte aus den Resten vom vorigen Abend Maisfladen machen. Der Gedanke gefiel ihr. Obwohl ihnen noch eine Woche blieb, glaubte sie nicht, dass sie alles aus dem Kühlschrank aufessen würden.
      Sie schloss das Garagentor auf, schob es knarrend die Stahlschiene hoch und zog dann am Griff der Mülltonne. Die Tonne war wuchtig, aber nicht so schwer, sie ließ sich leicht rollen, zumindest bis Emily den Betonboden verließ und aufs durchnässte Gras holperte. Ihre Tennisschuhe hatten glatte Sohlen, und sie musste ganz kleine Schritte machen. Rufus stand hinter der Küchentür und beobachtete sie.
      Die Wisemans hatten ihre Tonne rausgestellt, das beruhigte sie. Sie rollte ihre Tonne um den Briefkasten herum, auf die feste, regenglänzende Straße hinaus, schob sie dann ins Gras und ließ sie dort stehen, ihre Hände plötzlich frei, die erste Aufgabe des Tages erledigt. Wie seltsam, dass etwas so Banales ihr noch immer Genugtuung verschaffte. Solche Arbeiten mussten immer wieder verrichtet werden - doch die hier nicht. Es war tatsächlich das letzte Mal, dass sie die Mülltonne an die Straße stellte.
      Später war noch genug Zeit, um rührselig zu werden. In Pittsburgh hatte sie endlos viel Zeit. Der Gedanke, Margaret und die Kinder zu bitten, bei ihr einzuziehen, schoss ihr wieder durch den Kopf und löste sich dann in Luft auf. Dumme Idee, nicht das, was Margaret wollte. Sie würden sich im Handumdrehen an die Gurgel gehen.
      Die Vorstellung, dass Margaret richtig in Schwierigkeiten gewesen war und ihr nichts erzählt hatte, schmerzte sie. Das war bloß eine Sache von vielen, die Emily ihr sagen musste. Bei dem Regen würde sich vielleicht keine Gelegenheit ergeben.
      Was für ein trüber, trister Tag, der See wellig und mausgrau zwischen den Bäumen, Nebel draußen auf dem Wasser. So schnell, wie sie in ihren Tennisschuhen konnte, lief sie zurück zur Küche. Rufus tänzelte hinter der Fliegentür.
      «Was ist denn los?», fragte sie und streifte die Schuhe an der Matte ab. «Ich hab dir doch schon was zu fressen gegeben. Leg dich hin.»
      Bevor sie die Geschirrspülmaschine anschaltete, ging sie ins Wohnzimmer und horchte, ob

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