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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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jemand unter der Dusche stand. Die Packung Spülmittel war ein Ziegelstein aus grüner Folie, durch die Feuchtigkeit völlig verklumpt. Sie musste mit der Hand draufschlagen, um es in das Fach füllen zu können. Als sie die Maschine einschaltete, passierte zuerst nichts, doch dann sprang sie mit einem kräftigen Klopfen an.
      Es war genug Mais da, um Fladen für alle machen zu können, und im Schrank stand noch genug Sirup. Sie schaltete die Lampe über dem Hackbrett ein. An einem so dunklen Tag und beim Dunst und Plätschern der Geschirrspülmaschine, machte das Licht die Küche gemütlich. Da sie allein lebte, wusste sie diese kurzen, ungestörten Augenblicke, flüchtig wie eine Laune, zart wie ein Zauber, zu schätzen. Zu Hause schuf sie sich diese Augenblicke mit dem Radio, mit einem Gang zum Fenster, einer Tasse Tee mit Sahne, einem ihrer Lieblingsbücher von Dorothy Sayers, doch noch öfter kamen sie so überraschend wie jetzt und mussten nur als kostbar erkannt werden.
      Plötzlich war sie ungeheuer stolz darauf, dass sie den Müll allein nach draußen gebracht hatte - erkannte jedoch zugleich, was für ein albernes Bild sie abgegeben haben musste. Es war nicht einmal sieben. Der Müll wurde erst mittags abgeholt.
      Sie wartete mit dem Einschalten des Radios, bis sie den ganzen Mais von den Kolben geschnitten hatte, der dünne weiße Saft auf dem Hackbrett wie Milch. Die platt gedrückten Reihen der Maiskörner erinnerten sie an zusammengesteckte Puzzleteile. Wenn es den ganzen Tag so regnete, mussten sie die Brettspiele hervorholen, einen Spieltisch aufstellen und eins der riesigen Puzzles anfangen - Turners London Bridge im Nebel, ein Tulpenfeld vor einer Windmühle. Der Sender von Jamestown würde das Wetter durchgeben. Unwillkürlich wischte sie sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und ging die paar Schritte zum Radio.
      Sie schaltete gerade rechtzeitig ein, denn ein eindringlicher, schriller Ton bezeichnete die volle Stunde. Das Ticken eines Fernschreibers kündigte die Hauptnachricht an.
      «In dem Fall einer Frau aus Sherman», sagte der Sprecher in ernstem Ton, «die gestern aus einer Gemischtwarenhandlung in Mayville entführt wurde, hat die Polizei noch keinerlei Anhaltspunkte.»
      Das Geschirrtuch in der Hand, hielt Emily beide Seiten des Radios fest und beugte sich dicht an den Lautsprecher, doch der Mann erzählte nichts Brauchbares. Nur dass die örtlichen Beamten gemeinsam mit der Staatspolizei ermittelten, und dann kam etwas über einen Unfall auf dem Southern Tier, bei dem es einen kilometerlangen Stau gegeben hatte und ein Fahrer mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen worden war.
      Sie passte auf, dass sie den Wetterbericht mitbekam - heute und morgen zeitweise Regen, am Mittwoch teils Sonne, teils Wolken und möglicherweise Regenschauer. Im Grunde genommen wussten sie nichts Genaues.
      Vielleicht war im Fernsehen mehr zu erfahren. Sie eilte ins Wohnzimmer, Rufus direkt hinter ihr.
      Der Fernseher brauchte eine Ewigkeit, bis er warm war, und dann lief auf dem einzigen Sender, den sie hereinbekam, ein landesweites Morgenmagazin, bei dem ein Mann und eine Frau inmitten von Blumen in Plüschsesseln saßen. Wie gerufen kamen die Jungs die Treppe heruntergepoltert. Emily schaltete den Fernseher aus, damit sie kein Video einlegten.
      «Okay», sagte sie. «Wer hat Lust auf Maisfladen?»
      «Ich!», rief Justin.
      «Was ist da drin?», fragte Sam mit besorgtem Blick.
      «Leber», sagte sie, «und Rosenkohl.»
      «Nein.»
      «Was hast du denn gedacht, was drin ist?»
      «Keine Ahnung.»
      «Hier», sagte sie, «wenn sie euch nicht schmecken, können wir sie Rufus geben, was meint ihr dazu?»
      «Okay», sagte Sam, doch sie wusste nicht genau, ob er es ernst meinte oder nur im Scherz gesagt hatte. Er war ein seltsames Bürschchen. Sie wusste, dass Kenneth sich Sorgen um ihn machte. In der Schule hatte es Schwierigkeiten gegeben, der Vertrauenslehrer hatte vorgeschlagen, dass man ihn testen solle, und Lisa hatte es abgelehnt, eine richtige Seifenoper, die zu nichts führte.
      Doch diese Frau. Morgens bestand die Gefahr, dass die Angelegenheiten anderer Leute die eigenen überlagerten und einem nicht mehr aus dem Kopf gingen. In der Küche erinnerte sich Emily Wort für Wort an das, was im Radio gesagt worden war. Entführt. Und Kenneth der Erste, der ihr Verschwinden entdeckt hatte. Die Polizei wollte bestimmt noch einmal mit

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