Abschied von Chautauqua
wahrscheinlich gerade seine kleine Freundin.
«Arschloch.»
Es war wie ein Mantra, wehrte jeden wirklichen Gedanken an ihn ab. Und er war ja auch ein Arschloch.
Sie lehnte sich zurück und spürte, wie das Kaugummi immer klebriger wurde und sich ihren Zähnen widersetzte. Vom Steg kam Gelächter, dann hörte sie Schritte, unter denen die Planken erbebten. Der Sitz war so niedrig, dass sie nicht zu sehen war; sie streckte den Kopf nach oben und legte ihre Nase auf die dünn gepolsterte Türverkleidung.
Bloß Ken und Lise. Ken trug zwei Bierflaschen, und Lise hatte die Arme über einer zusammengefalteten Decke verschränkt. Sie blieben im Garten stehen und küssten sich in aller Ruhe, ihre Silhouetten von den Eichen der Wisemans umrahmt, der See hinter ihnen silbern, eine Hallmark-Karte, und obwohl Meg sich ducken wollte, damit sie verborgen blieb, beobachtete sie die beiden, bis sie fertig waren, Hand in Hand zur Küchentür und ins Haus gingen. Er war noch immer auf Lise angewiesen, brauchte sie immer noch auf eine ganz einfache Art. Auch Meg wollte jemanden haben, der sie so brauchte. Selbst Justin hatte gelernt, zu Sarah zu gehen, wenn Meg sich nicht gut fühlte.
Sie hatten sich direkt vor ihren Augen geküsst, und Meg war so eifersüchtig wie damals als Jugendliche, war gekränkt, dass sie nicht diejenige war, die verliebt war, die geliebt wurde. Für so einen Quatsch war sie zu alt.
«Genau», sagte sie. Das war das Problem.
Sie suchte nach dem Hebel, ließ den Sitz hochklappen, stieg leise aus und ging zum Steg. Auf halbem Weg zum Boot entdeckte sie nasse Fußspuren - keine Schuhe, nur Zehen und Fersen, nicht die ganze Sohle. An der Leiter waren die Abdrücke fast vollständig. Sie hatten nackt gebadet. Meg hätte mitgemacht, wenn sie sie gefragt hätten.
Sie wollten sie nicht dabeihaben.
«Pfff», machte sie, wie Sarah.
Sie überlegte, ob sie sich ausziehen und ins Wasser springen sollte, aber es war zu flach, und allein machte es keinen Spaß. Es gab schon genug Dinge, die sie allein machen musste.
Angezogen von den Lichtern im Haus, ging sie zum Ufer zurück. Fünf Sachen. Nach den Gläsern war ihr Kopf leer. Es waren fünf Gläser, aber ihre Mutter würde denken, dass Meg sich über sie lustig machte und über etwas spottete, das ihr lieb und teuer war. Sie alle hielten das Andenken ihres Vaters in Ehren. Etwas, das ihm gehört hat, dachte sie, etwas, das ihm gefallen hat.
Das Boot war weg, der Fernseher auch. Ken würde das Werkzeug bekommen. Meg hatte die Liebe ihres Vaters zum Scotch geerbt, das sollte zählen.
Vielleicht würden die Gläser ausreichen. Sie würde sich ein paar nahe liegende Wünsche einfallen lassen, um ihre Mutter zu besänftigen. Eine Frisierkommode, ein Tischchen. Sie würde Sarah und Justin fragen, ob sie irgendwas haben wollten.
Die Garagentür stand offen, und Meg machte sie zu. Sie nahm die noch feuchten Badesachen und Handtücher der Kinder von der Leine und ging damit ins Haus. Im Wohnzimmer brannte nur eine Lampe, das Radio war aus, Rufus war ins Zimmer ihrer Mutter geflüchtet und hatte sich auf einem der Bettvorleger niedergelassen. Oben lief das Waschbecken, Ken und Lise machten sich bettfertig. Es war nicht mal elf.
Was würden sie sagen, wenn sie noch ausginge, in den Wagen stiege, zur Snug Harbor Lounge führe und sternhagelvoll und grölend nach Hause käme? Sie könnte sich von irgendwem abschleppen lassen - doch plötzlich war das Hirngespinst zu Ende, verwandelte sich in eine Predigt, und das Training der Anonymen Alkoholiker und die Erinnerung an ein paar absurde Nächte setzte ein, an albtraumhafte Zimmer, Männer, mit denen sie in nüchternem Zustand nie geschlafen hätte, Heimfahrten, an die sie sich nicht erinnern konnte, Jeffs quälende Vorwürfe am nächsten Morgen, von denen einige berechtigt waren. Immer mit der Ruhe, na klar.
Sie schaute in den Kühlschrank, wobei ihr das Eis einfiel, und sie hielt inne, um ihr Kaugummi auszuspucken, bevor sie sich bediente. Als sie es in ein Schälchen löffelte, sah sie die dämlichen Salz- und Pfefferstreuer ihrer Mutter und dachte, dass sie aufgefordert worden waren, dasselbe zu tun - einen verlorenen Teil ihrer selbst zurückzugewinnen und so zu tun, als wäre er nie verloren gegangen.
Das würde nicht klappen. Es war unmöglich; so war die Welt einfach nicht gestrickt.
Sie nahm das Eis mit ins Wohnzimmer und setzte sich aufs Sofa.
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