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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Oben lief kein Wasser mehr, nur noch das klappernde Geräusch ihres Löffels im Schälchen war zu hören. Als Meg fertig war, spülte sie das Schälchen und den Löffel ab, steckte beides in die Geschirrspülmaschine, wischte rasch über die Arbeitsplatte, schloss die Türen ab und schaltete die Lichter aus - alles seelenruhig, präzise, gemessenen Schrittes wie ein Kammerdiener. Zum ersten Mal an diesem Tag kam sie sich nützlich vor, wieder menschlich.
     
     
* 14
     
    Der Regen weckte Sam, das Getrommel klang, als würde etwas übers Dach laufen. Ein Druck, penetrant wie ein stechender Schmerz, sagte ihm, dass er pinkeln musste, und das aufs Dach prasselnde Wasser verstärkte den Druck nur. Justin schlief mit offenem Mund. Die Mädchen waren undeutliche Schemen. Jemand hatte den Ventilator ausgeschaltet. Sam kroch aus seinem warmen Schlafsack, geleitet von dem Nachtlicht neben der Badezimmertür.
      Der Heizstrahler an der Decke färbte alles rot, als wäre Sam in einem Backofen. Er setzte sich auf die Toilette, starrte die Glasgriffe des Frisiertischs an, da in dem Licht alles seltsam aussah, und seine Zehen berührten kaum den kalten Fußboden. Es war so still, dass er trotz des Regens alles hören konnte, wie das Rinnsal von einem Platschen und dann noch einem unterbrochen wurde.
      Als er nichts mehr herauspressen konnte, wischte er sich ab, wie sein Vater es ihm gezeigt hatte, faltete das Papier in Vierecke und nahm zur Sicherheit eins mehr. Wenn er daheim in seiner Unterhose Streifen hinterließ, tadelten sie ihn, wobei seine Mutter so tat, als wäre sie nicht wütend, aber einmal hatte er mitgekriegt, wie sie beim Leeren seines Wäschekorbs plötzlich innegehalten und ganz deutlich gesagt hatte: «Nicht schon wieder.» Er hatte sich mit seinem Nintendo im Keller versteckt, und später hatte sein Vater mit ihm gesprochen und ihm den Trick mit dem Zusammenfalten gezeigt. Sam erzählte ihm nicht, dass es nicht immer klappte. Manchmal vergrub er seine Unterhose in dem Abfalleimer im Bad. Manchmal hatte er sicherheitshalber gar keine an.
      Leise klappte er den Deckel zu und wandte sich zum Fenster. Er war sich sicher, er würde jemanden im dunklen Garten sehen, einen Mann in Anzug und Krawatte wie Grandpa auf der Beerdigung, der bloß reglos dastand und zu ihm raufblickte.
      Da war nichts, bloß das Gras und die wackelnden, regenglitzernden Blätter.
      Er schaltete das Licht aus und öffnete zugleich die Tür. Vor ihm stand jemand.
      Er erstarrte, wartete darauf, dass der Schatten über ihn herfiel und ihn in einem Bissen verschlang.
      Aus dem Dunkeln kam eine Hand, die ihm behutsam den Kopf tätschelte, als wollte sie ihn beruhigen.
      «Ich bin's bloß», sagte Tante Margaret. «Geh schlafen.»
      Einen warmen Duft hinter sich herziehend, glitt sie an ihm vorbei wie ein Schiff und schloss die Tür hinter sich. Die Türritzen leuchteten rot. Er vergrub sich in seinem Schlafsack, wartete, dass sie zurückkam, den Blick auf die Tür gerichtet, aber dann saßen er und Ella in einem Kanu auf einem Fluss im Dschungel, und überall waren Felsen, und es ging dabei um ein Buch und einen Kompass, und doch wartete er immer noch auf Tante Margaret. Tante Margaret war schön, deshalb saßen sie in dem Kanu. Sie hatte ihm die Hand auf den Kopf gelegt und war so dicht vorbeigegangen, dass er ihr Parfüm riechen konnte. Morgen früh würde er sich daran erinnern wie an einen Traum.
     
     
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* 1
     
    Emily hatte Kenneth am Abend vorher gebeten, sie an den Müll zu erinnern, doch es war ihm wohl nicht so wichtig gewesen, denn jetzt musste sie, gefolgt von Rufus, durchs Erdgeschoss gehen und den klebrigen Papierkorb im Bad, den geflochtenen unter dem Klapptisch und auch den ekligen Mülleimer in der Küche ausleeren. Ken war wie sein Vater, er verstand nicht einmal einen Wink mit dem Zaunpfahl. Oder war das bloß männliche Halsstarrigkeit? Wenn man Männer auch nur um den kleinsten Gefallen bat, taten sie immer so, als fiele ihnen ein Zacken aus der Krone, als müssten sie eine Aufgabe übernehmen, die man selbst zu erledigen hatte.
      «Bitte lauf nicht ständig hinter mir her», sagte sie zu Rufus, und er schlich unter den Tisch, drehte sich zweimal, ließ sich auf den Boden plumpsen und sah sie in Erwartung weiterer Anweisungen oder um Verzeihung heischend an.
      Sie schleifte den Müll zur Küchentür hinaus in

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