Abschied von Chautauqua
verbranntem Sägemehl und Bimssteinseife gerochen und geblinzelt wie ein Maulwurf. Nach dem Abendessen hatte er sich in seinen Bau zurückgezogen und war um Punkt acht zur Hauptsendezeit wieder aufgetaucht. Er hatte ein Radio gehabt, das Kenneth ihm einmal zum Geburtstag geschenkt hatte (es thronte noch immer dort unten auf seiner makellos sauberen Werkbank, seine Werkzeuge hingen wie Handelsware an den Haken und füllten die vorgezeichneten Umrisse aus), und während sie das Geschirr spülte, hatte er den Sender eingestellt, auf dem Tommy Dorsey und Artie Shaw gespielt wurden, die Musik, bei der sie sich verliebt hatten, und wenn sie fertig war, hatte sie sich oben an die Treppe gestellt und zugehört, als würde er ihr ein Ständchen bringen. Denn er sang dort unten, seine Stimme ganz leise, während er von einer Maschine zur anderen ging, mitten in der Strophe verstummend und sich dann zum Refrain erhebend.
So be sure that it's true When you say I love you It's a sin to tell a lie
Die Sachen, die er dort angefertigt hatte, waren die Erbstücke. Die Sachen hier waren größtenteils Plunder, zerstört von der Feuchtigkeit, das Furnier abgelöst. Trotzdem hatte sie sich neulich richtig gefreut, ihre alten Pfeffer- und Salzstreuer zu entdecken, als hätte sie damit einen kleinen Teil von ihnen und der damaligen Zeit bewahrt.
Es war ihr egal. In ihrem Alter durfte sie rührselig sein. Sie würde nie zu den Frauen gehören, die jede freie Fläche mit Porzellannippes voll packten, doch seit Henrys Tod staubte sie die Sachen auf seiner Kommode öfter ab, sah ihre Fotoalben durch und versuchte, ein schönes Bild von ihnen beiden zu finden, das sie aufs Klavier stellen konnte. Das ist ganz natürlich, dachte sie. Sie brauchte es, zurückzublicken. Und es hatte sie nicht gelähmt. Es hatte sie nicht davon abgehalten, alles Nötige zu erledigen. Sie konnte darauf zählen, dass das preußische Pflichtbewusstsein ihrer Mutter sie aufrechterhielt. Selbst jetzt, im Urlaub, streifte sie durchs Haus und suchte etwas, das sie in Ordnung bringen konnte - sammelte die Untersetzer ein und rückte einen Stapel Zeitschriften zurecht.
Als sie in der Küche Teewasser aufsetzte, blickte sie zufällig auf die Straße hinaus, wo der Regen weiß vom Asphalt aufspritzte, und sah, dass der Müll immer noch dastand. Sie war sich sicher, dass heute der richtige Tag war. Vielleicht hatte die Müllabfuhr ihren Plan geändert; es waren zwei Jahre verstrichen. Vielleicht hatte sie auch wegen des Regens Verspätung.
In diesem Augenblick fuhr ein riesiger alter Kombi vor und hielt neben dem Briefkasten, der Wagen in die falsche Richtung zeigend, und der Mann hinterm Lenkrad beugte sich heraus, klappte mit geübter Hand den Briefkasten auf und ließ die Post hineingleiten. Emily wartete, bis er am Haus der Lerners vorbeigefahren war, bevor sie den Regenschirm aus der Fliegentür streckte.
«Tut mir Leid», sagte sie zu Rufus, der dachte, es stehe vielleicht ein Spaziergang an. Er drehte sich um und stapfte mürrisch aus der Küche.
Es war kälter, als sie gedacht hatte, und dicke Tropfen trommelten auf Arlenes Wagen; Zweige, die der Regen abgerissen hatte, lagen auf der Motorhaube verstreut. Obwohl der Himmel bewölkt war, wirkte das Grün des Grases leuchtender. Zu ihrer Freude sah sie eine Kröte völlig reglos im Splitt am Straßenrand hocken.
«Sieh mal an», sagte sie und bückte sich. Die Kröte hatte die Farbe von nassem Sand, eine dunkle Markierung und Augenlider, und Emily konnte ihr Herz schlagen sehen. «In Ordnung, ich lass dich in Ruhe.»
Die Straße war mit ertrunkenen Würmern verziert, ihre weißen Körper sahen aus wie wässrige Kreidestriche. Die Gärtnerin in Emily bedauerte die Verschwendung.
Sie sah nach, ob ein Auto kam, kehrte dann der Straße den Rücken zu und öffnete den Briefkasten.
Ein Brief - Reklame, wie es aussah - und ein kostenloses Lokalblättchen lagen darin. Eine kleine rote Ameise spazierte über den Rand des Briefes. Eine andere lief über den Metallboden des Briefkastens. Auf der Klappe krabbelten noch mehr, und an der Wand war ein dunkler Haufen - Hunderte von ihnen wuselten an derselben Stelle, ein paar flüchteten vor dem plötzlichen Licht und brachten sich an der Rückwand in Sicherheit.
Emily schlug die Klappe zu, blickte in beiden Richtungen die Straße entlang, als hätte ihr jemand einen Streich gespielt und könnte sie beobachten. Erst auf dem
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