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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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hinunterblickte, und ein Windstoß traf den Geländewagen, drehte das Lenkrad in seinen Händen. Hinten über dem See hatten die Wolken einen Stich ins Grüne. Es begann stärker zu regnen - laut -, und er musste bei den Scheibenwischern die höchste Stufe einstellen und sich vorbeugen, um besser sehen zu können. Rücklichter leuchteten schemenhaft auf. Statt zu bremsen und Aquaplaning zu riskieren, nahm er lieber den Fuß vom Gas. Harte Tropfen trommelten auf die Windschutzscheibe, hämmerten aufs Dach wie Murmeln.
      «Boah», sagte Sam.
      Ken schaltete runter und behielt die Lichter im Auge. Er hatte Angst, dass sie zu schnell fuhren, dass der Wagen zu groß war, um rechtzeitig zum Stehen zu kommen, falls der Typ vor ihm scharf bremste. Er konnte an den Straßenrand fahren, doch dann waren seine Rücklichter vielleicht eine Zielscheibe. Irgendwann musste der Regen nachlassen. Er schaltete den Defroster ein, aber der trocknete bloß seine Augen aus. Er merkte, dass sich die Mädchen nicht mehr unterhielten, das Schweigen ein beunruhigendes Zeichen.
      Obwohl er nichts erkennen konnte, wusste er, dass sie in die Senke runterkamen, bevor sie die 17 überqueren mussten und an Hogan's Hut vorbeifuhren. Wenn er die Einfahrt von Ho-gan s Hut sah, würde er reinfahren, und sie konnten dort das Ende des Gewitters abwarten. Er stellte sich vor, wie es wohl draußen auf dem See war. Bestimmt saßen ein paar Angler in abgelegenen Buchten fest, eingemummt in Ponchos, zum Warmhalten bloß Bier.
      Er merkte, dass er blinken musste, und tat es auch.
      Der Wagen vor ihm bremste, und er bremste ebenfalls. Sie krochen mit weniger als dreißig Stundenkilometer dahin. Vor sich sah er einen zweiten Wagen, der dasselbe tat. Noch einer tauchte auf, heller. Der doppelte gelbe Mittelstreifen war wieder zu sehen, ein schwarzes Stück Himmel. Der Regen ließ immer mehr nach, und die Scheibenwischer schwangen wild hin und her. Ken stellte eine niedrigere Stufe ein. In der Ferne brach sich der wogende Donner und rollte über die Hügel. Neben ihm spielte Sam auf seinem Game Boy. Die Mädchen rezitierten wieder die besten Dialoge.
      Er lehnte sich zurück und entspannte sich, die Anspannung verschwand aus seinen Armen und floss durch die Finger ins Lenkrad. Die Autos vor ihnen beschleunigten und wirbelten Sprühregen auf. Die Straße beschrieb eine lange Kurve, erreichte die Senke und stieg auf der anderen Seite wieder an. Sie waren genau da, wo er gedacht hatte, kurz vor der 17. Es regnete immer noch, aber jetzt konnte er wieder alles erkennen. Sie überquerten die Überführung, rechts von ihnen glitt Hogan's Hut vorbei, die Zapfsäulen vor dem Dunkel erleuchtet, ein fliegender roter Pegasus in weißem Kreis. Er dachte daran, wie Tracy Ann Caler hinter dem Tresen stand, ihren Kaffee trank und Radio hörte. Sie hatte bestimmt keine Ahnung gehabt, was passierte.
      Er glaubte, er hätte etwas tun können, doch außer rechtzeitig zurückzufahren, um sie zu warnen, fiel ihm nicht ein, was das hätte sein können. Das hätte er genauso wenig tun können, wie seinen Vater noch einmal im Krankenhaus besuchen, um ihm zu sagen, er habe seine Sache gut gemacht. Der Wunsch war sinnlos; so dachte Ken erst jetzt. Er überlegte, ob sich seine Gefühle für seinen Vater in den kommenden Jahren ändern würden, obwohl sein Vater daran nicht beteiligt wäre.
      Als sie an der Book Barn vorbeifuhren, hielt er Ausschau nach Megs Bus, konnte ihn aber nirgends entdecken. Der Willow Run lag verlassen da, in dem heruntergekommenen Clubhaus brannte Licht. In zugewucherten Gärten standen schäbige Sommerhäuser, bei denen stellenweise die Asbestverkleidung bbröckelte, und dann kam, angekündigt von einer riesigen Reklametafel, ein einzelnes Musterhaus, dessen Garten so gepflegt war wie ein Grün. Die Bruchbuden waren interessanter. Obwohl sie schon während seiner Kindheit in besserem Zustand hier gestanden haben mussten, konnte er sich nicht daran erinnern. Das Land kam ihm alt vor, schon seit langem heruntergekommen, wie das Pittsburgh, das sein Vater noch gekannt hatte, eine Stadt voll eleganter Bankiers und muskulöser Stahlarbeiter. Das Gedächtnis spielte einem leicht einen Streich und schrieb der Vergangenheit eine Stabilität zu, die die Gegenwart nur nachahmen konnte.
      Zum Teil lag das am Urlaub. Die Tage waren gestaltlos und fad, wie heute, wo er mit den Kindern im Kino war. Bloß Regen und nichts zu tun. In Boston stünde er in

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