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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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seiner Dunkelkammer, zufrieden, in dem ruhigen roten Licht arbeiten zu können. Zum Teil lag es an seinem Vater, das ließ sich nicht leugnen. Trotz all der Veränderungen schien Chautauqua der Vergangenheit anzugehören, brachte es jene verlorenen Sommer und alles, was damit zusammenhing, näher.
      Er und Lise mussten noch ihre Liste aufstellen. Der Gedanke daran quälte ihn und fegte seinen Kopf leer. Sich für ein handfestes Andenken entscheiden zu müssen überforderte ihn. Er wollte alles haben, gar nichts. In erster Linie schien es eine Geste zu sein.
      Die Snug Harbor Lounge hatte viele Leute angelockt, im Gras waren Pickups und ein El Camino mit Abdeckplane geparkt.
      «Können wir an den Fischteichen vorbeifahren?», fragte Ella, und er bog an der ersten Abzweigung ab.
      Die Straße war uneben, ein holpriger Flickenteppich aus Frostbuckeln und aufgefüllten Schlaglöchern. Sie saßen nicht so hoch, dass sie die Wasseroberfläche sehen konnten. Er stellte sich das Wasser getüpfelt vor, ein schwarzweißes Gewirr, das wie die Oberfläche eines Planeten beschaffen war. Es hatte keinen Sinn. Er hatte weder den Film noch das Licht oder das Objektiv. Er konnte schummeln und die Nikon nehmen, aber es würde unscharf aussehen, die Vorbereitungen würden ewig dauern. Hinten lachten die Mädchen, und er schob den Gedanken beiseite, bevor er ihm Kopfzerbrechen bereiten konnte, wie er es auch mit der Liste getan hatte. Lise hatte Recht; er brauchte eine Pause. Er brauchte mehr als die Holga. Er brauchte eine ganz neue Art zu sehen. Das war in einer Woche nicht zu schaffen. Morgan sagte immer, alles sei organisch und gehe von dem Objekt aus, statt ihm aufgezwungen zu werden. Vielleicht würde er versuchen, das Gefühl wieder zu finden, das er beim Gas-n-Go gehabt hatte. Es gab immer noch die Garage.
      Als sie vor dem Haus hielten, war Sam noch immer verzückt über seinen Game Boy gebeugt. Seine Mutter hatte die Mülltonne nicht zurückgestellt. Arien es Wagen stand unter der Kastanie, doch der von Meg war nicht da. Bis zum Abendessen dauerte es noch zwei Stunden. Er nahm den Parkplatz direkt neben der Hintertür.
      «Seid vorsichtig beim Aussteigen, im Gras ist es rutschig», warnte er und vergewisserte sich dann, ob alle Türen zu waren.
      Sie drängten sich im Haus und ließen ihn mit dem Regen und dem verlassenen grauen See allein. Ein Ast von der Eiche der Wisemans lag auf dem Steg, die Blätter raschelten im Wind. Nachdem Ken die Kinder nach Hause gebracht hatte, war er plötzlich müde und wehrte alle Gedanken ab, als würde er jetzt, wo die Fahrt vorbei war, alle Schotten dicht machen. Er wollte nur auf dem Sofa liegen, sonst nichts. Er schleifte den Ast vom Steg und ließ ihn im Gras liegen.
      Drinnen erzählten die Kinder seiner Mutter und Arlene von den Filmen, Rufus wedelte mit dem Schwanz und schnüffelte um Aufmerksamkeit heischend zwischen ihren Beinen. Ken hängte seine Windjacke auf und legte die Schlüssel in eine Nussschale auf dem Kaminsims - direkt neben einen alten Acushnet, der vor wer weiß wie langer Zeit bei einem Schlag seines Vaters eingerissen war. Die Dellen in dem Golfball waren von Haarrissen durchzogen, als wäre er aus Porzellan. Auf dem Boden der Schale lag eine stählerne Ballmarke, die drei kleeblattartigen Ringe von Ballantine Ale. Reinheit, Stärke, Geschmack. Er sah die Ballmarke in der hohlen Hand seines Vaters liegen, zusammen mit seinen Schlüsseln, seinen Tees und seinem Kleingeld, sah. wie sein Vater sie hinlegte und zurücktrat, damit Ken das Grün lesen konnte. «Nimm dir Zeit», empfahl sein Vater, und Ken überprüfte das Ganze nochmal, vergewisserte sich, wie er schlagen musste. An diesen langen Vormittagen auf dem Golfplatz hatten sie beide kaum ein Wort gesprochen. Sein Vater hatte vorgehabt, ihm Geduld beizubringen. Ken wusste nicht genau, ob es ihm gelungen war. Er schnappte sich die Ballmarke und ließ sie in seine Tasche gleiten, wobei er so tat, als würde er die Holzscheite neben dem Kamin inspizieren. Es war keine reine Heuchelei. Vielleicht würde er später ein Feuer anzünden - auch das hatte ihm sein Vater beigebracht.
      Seine Mutter fragte die Kinder, ob sie sich gut amüsiert hätten. Sie umringten sie wie eine Königin. «Und habt ihr euch alle bei Onkel Ken bedankt, weil er mit euch ins Kino gefahren ist?»
      «Danke, Onkel Ken!», brüllten sie, Sam fummelte an ihm rum, und Ken wünschte, er könnte die ganze Szene als ein

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