Abschied von Chautauqua
Dachrinne, und zündete die Zigarette an. Für August war es eiskalt. Im Abflussrohr plätscherte es, und das Wasser sprudelte auf den Rasen.
Sie stellte sich vor, was ihre Mutter davon gehalten hätte, dass ihre Schwiegertochter die Sachen aus dem Sommerhaus aufteilte. Es ging nicht darum, sorgfältig ausgewählte Möbel so auseinander zu reißen, dass es eine Schande wäre, sondern darum, dass alles aus anderen, längst verkauften Häusern gerettet worden war und die Atmosphäre eines wohl bekannten Ortes und die Erinnerung an Menschen barg, die einem unglaublich fehlten Wenn Arlene die Zederntruhe öffnete, würde sie sie so sehen wie sie einmal gewesen war, am Fuß des Bettes im Gästezimmer ihrer Großmutter McElheny stehend, nach der Armeedecke ihres Großvaters aus dem Ersten Weltkrieg duftend. Das Zimmer mit dem Eisenbett und dem vergoldeten Kreuz an der Wand würde sie in den Flur im oberen Stockwerk führen, an dem Spiegel vorbei, der sie nachts immer überrascht hatte, bis oben an die Treppe. Unten erwartete sie der Rest des Hauses, jedes Zimmer so ausgestattet wie damals, als sie sieben war. Hinten im Garten, in den man durch die sonnige Küche ihrer Großmutter gelangte, warf Henry vielleicht einen Ball in die Luft, oder er saß im Kirschbaum und schnitzte an einem Stock. Daran konnte sich Kenneth nicht erinnern und Ella schon gar nicht.
Sie würden sich an das Sommerhaus erinnern, dachte Arlene - und an sie, das hoffte sie wenigstens.
Von ihrer Großtante Martha konnte sie sich noch ihre kräftige Statur und die dunklen Kleider ins Gedächtnis rufen, einen Geldbeutel mit Schnappverschluss und Goldkette, ihre Füße in so winzige Schuhe gezwängt, dass sie sie nach dem Kirchgang immer im Wohnzimmer auszog und sich die Zehen massierte. Einmal war sie Weihnachten rückwärts gegen einen Tisch gestoßen und hatte den Eggnog umgekippt, Henry hatte die Punschbowle seiner Mutter gerettet, und die süße Flut hatte sich über seine guten Schuhe ergossen. Martha hatte sich lachend für die Größe ihres Hinterns entschuldigt, und niemand hatte ihr das Missgeschick übel genommen. Wenn Arlene an sie dachte, sah sie eine gutmütige Frau mittleren Alters, die mit beiden Füßen fest auf der Erde stand und einen einnehmenden Sinn für Humor hatte. Wenn das zur Auswahl stünde, würde sie sich dafür entscheiden.
Die Limone in ihrem Gin Tonic war bitter, noch nicht ganz reif, und zwischen den Eiswürfeln schwamm ein durchtrennter Samenkern. Sie überlegte, ob sie noch einen trinken sollte, wies den Gedanken aber als töricht zurück. Verstohlen blickte sie um die Garagenecke, um zu sehen, ob die Kaninchen grasten, und ein dicker Tropfen klatschte auf ihre Nase. Als sie sich zurücklehnte, kam Margaret aus dem Haus und gesellte sich zu ihr.
Es war etwas Verbindendes: Sie hatten immer zusammen geraucht. Das war wohl keine große Hinterlassenschaft. Sie hatte versucht, Margaret beizustehen, obwohl sie manchmal gewusst hatte, dass sie damit auf verlorenem Posten stand. Sie kannte die Last der Missbilligung, den Schmerz über Pläne, die sich in Luft auflösten. Alle hatten sich von Arlene mehr erhofft. Anfangs hatte sie sich über die Anmaßung der anderen geärgert, dann hatte sie versucht, sie durch ihre Leistungen zu beeindrucken, und als die Auszeichnungen als Lehrerin nichts bewirkten, fand sie sich schließlich damit ab, dass sie in den Augen der anderen nie erfolgreich sein würde. Sie wünschte sich, sie könnte ihren Drink irgendwo abstellen. Stattdessen zog sie an ihrer Zigarette, um den Alkoholgeruch in ihrem Atem zu verdecken.
«Und», sagte Margaret, «was steht auf deiner Liste?»
«Nicht viel. Die Zederntruhe.»
«Damit sind wir schon drei. Dann kriegt Ken sie wohl.»
«Das weißt du nicht», sagte Arlene.
«Du weißt es, und ich weiß es auch. Was hast du sonst noch?»
Arlene zögerte einen Augenblick, als wollte ihr Margaret diese Information stehlen. Es gab nichts, was sie wirklich haben wollte. Emily erhob Anspruch auf den Klapptisch. Arlenes Gedanken glitten durchs Haus, registrierten die Möbel und prallten gegen die Wände. Nichts im Wohnzimmer, oben auch nichts. Die Lampen waren furchtbar; nur gemusterter Stoff kam schneller aus der Mode als Lampenschirme. Ihre Frisierkommode vielleicht.
«Wahrscheinlich hast du Recht», sagte Margaret.
«Ich weiß nicht, warum ich da mitmachen soll. In zehn Jahren müsst ihr bloß dasselbe nochmal
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