Abschied von der Küchenpsychologie
die Einstellungen eines Menschen, so kann man die daraus resultierende Bereitschaft zur Beteiligung an Krieg, Folter und ähnlichen Handlungen grob in drei Typen zusammenfassen:
Aggressive Gewaltbereitschaft:
Gemeint ist damit eine
person
typische Neigung zu Gewalt, und zwar entweder (a) mit ausgeprägten politischen Motiven für Gewalt als Machtmittel oder Vergeltung (z.B. «skrupelloser Machtmensch», «Überzeugungstäter», «Fanatiker») oder (b) mit persönlichen Motiven für Gewaltausübung (z.B. «Abenteurer», «Sadist») oder mit einer Mischung aus beidem.
Banale, nichtaggressive Gewaltbereitschaft:
Sie ist stark
situations
abhängig. Hierzu gehört Gewaltbeteiligung auf Anweisung oder Konformitätsdruck ( «gehorsamer Bürger», «Mitläufer») oder zum eigenen Vorteil («Job-Täter», «Opportunist») oder zum Selbstschutz im akuten Kampf. Die Bezeichnung «banal» lehnt sich dabei an die häufig zitierte und häufig missverstandene Formulierung Hannah Arendts von der «Banalität des Bösen» an. Die Philosophin schilderte den Organisator der Judenvernichtung, Adolf Eichmann, als pflichteifrigen Bürokraten statt als Judenhasser. Im Falle Eichmann hat sie sich wohl getäuscht, aber die «Banalität des Bösen» gibt es zweifellos in vielen Varianten. Denn «banal» sind Motive, die in anderen Kontexten ganz unaggressiven Handlungen zugrunde liegen: gute Arbeit leisten, treu und solidarisch sein, seinen Vorteil suchen, Strafe vermeiden. In
diesem
Sinne sind auch gehorsame Bürger gewaltbereit, falls sie in entsprechende Situationen geraten. Insgesamt ist banale Gewaltbereitschaft in der einen oder anderen Form sicher ziemlich «normal».
Gewaltlosigkeit, keine Gewaltbereitschaft:
Diese Haltung ist sehr
person
typisch. Manche Menschen lehnen jegliche Form politischer Gewalt ab, verweigern die eigene Beteiligung, unterstützen vielleicht auch Widerstand gegen Gewaltaktionen des eigenen Lagers. Hinzu kommt bei diesen Menschen meist ausgeprägte Gewaltlosigkeit im persönlichen Bereich.
Nicht vergessen sollte man ein weiteres Akteursmerkmal: die
Gewaltkompetenz
. Denn wer nach seinen Motiven und Einstellungen «gewaltbereit» ist, besitzt nicht immer auch die Fertigkeiten zur Gewaltausübung. Gerade im politischen Feld werden die Akteure deshalb meist intensiv geschult, im Militärdienst ebenso wie im Terroristenlager.
Zusammengefasst heißt dies: Bei politischer Gewalt kooperieren häufig Akteure mit den
unterschiedlichsten
Motiven, Einstellungen und Kompetenzen. Politische Fanatiker, kühle Machtstrategen, Sadisten, Opportunisten, Abenteurer und gehorsame Bürger vereinigen sich, zusammengehalten durch eine hierarchische Führung, zu gleichgerichteten Aktionen.
Da Gewaltbereitschaft kein einheitliches Phänomen ist, ist auch nicht anzunehmen, dass es eine bestimmte Sozialisation zur Gewaltbereitschaft gibt. Nicht nur familiäre und außerfamiliäre Einflüsse, die hohe Aggressivität fördern (s.S. 254 ), sondern beispielsweise auch eine Erziehung zu Opportunismus oder Folgsamkeit kann letztlich in Bereitschaft zur Gewaltbeteiligung münden. «Unnormal» ist, statistisch gesehen, strikte Gewaltlosigkeit im persönlichen und politischen Bereich, und «unnormal» ist wohl auch die Sozialisation, die dahin führt. Unter anderem spielt hier das elterliche Vorbild eine bedeutende Rolle.
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Schwerpunkt:
Lernen, Bildung, Erziehung
In diesem Schwerpunkt geht es um psychologische Aspekte von Bildung und Erziehung. Gemeinsam ist diesen Bereichen das Phänomen Lernen. Bei Bildung denkt man vorrangig an den Erwerb von Wissen und Kompetenzen, bei Erziehung eher an das Erlernen von Verhalten, Einstellungen etc. durch den Einfluss von Eltern und anderen Personen. Drei Themen sind deutlich «erzieherisch»: Disziplin, Erziehungsstile und Erziehungskonflikte. Die anderen Themen sind eher auf Bildung bezogen. Die Erfahrung zeigt, dass diese «kognitiven Themen», bei denen man sozusagen in den Kopf hineinschaut, zum Teil als abstrakter empfunden werden als die eher verhaltensbezogenen Erziehungsthemen. Falls es Ihnen auch so geht – das liegt in der Natur der Sache.
11. Populäre Irrtümer und Kurzschlüsse
Mit dem Lernen durch Unterricht, Bücher, Filme etc. haben wir alle zu tun. Daher machen sich viele Menschen auch Vorstellungen darüber, wie solch ein Lernen funktioniert und wie man gute Ergebnisse erzielt. Im ersten Thema geht es um die Frage, ob kognitives Lernen als ein Aufnehmen von
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