Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
Vom Netzwerk:
vieler konkreter Übereinstimmungen in Wortschatz und Grammatik, also durch sehr spezifischen Transfer. Wie wirksam die sichtbaren oder hörbaren Ähnlichkeiten sind, merken wir zuweilen in negativer Weise, wenn wir z.B. ähnlich klingende Wörter verwechseln.
    Ist ein allgemeiner Transfer also gar nicht möglich?
    Wenn kein bestimmtes Fach, kein bestimmter Lernstoff für sich beanspruchen kann, allgemein die geistigen Fähigkeiten zu fördern, stellt sich die Frage, ob dies denn auf anderen Wegen möglich ist.
    In begrenztem Maße ja. So kann man einen
relativ
unspezifischen Transfer fördern, wenn man
Strategien
erlernt, die nicht fachgebunden sind und auch wirklich fachübergreifend gelernt werden. Beispiele: In einem Text nach zentralen Aussagen suchen, unübersichtliche Informationen ordnen, eine Hypothese aufstellen und überprüfen. Solche Vorgehensweisen sind auf verschiedene Sachgebiete transferierbar. Allerdings: Transferier
bar
heißt noch nicht, dass man tatsächlich
transferiert
. Das ist nur zu erwarten, wenn man
versteht
, welche Strategie sich worauf übertragen lässt und worauf nicht, und wenn man das Transferieren an unterschiedlichsten Aufgaben
übt
. Nicht ganz realistisch ist die Erwartung mancher Lehrender: Ihr habt jetzt die Grundlagen gelernt, übertragen müsst ihr sie selbst. Wissenserwerb und Wissensnutzung sind eben zweierlei. Gelerntes wird oft nicht genutzt, obwohl man es «gehabt» hat – weil man das Nutzen nicht gelernt hat.
    Noch weniger an Sachgebiete gebunden sind die
metakognitiven
Prozesse, also Selbsterkenntnis, Selbstüberwachung und Selbstregulation. Eine gute Strategie zu kennen, kann wirkungslos bleiben, wenn man nicht darauf achtet, sie beim passenden Anlass einzusetzen. Wer sich aber z.B. fragt: Welche Strategien kenne ich für solche Aufgaben? Oder: Was ist eigentlich meine Leseabsicht? Oder: Wie kann ich prüfen, ob ich es verstanden habe? – wer in dieser Weise seine geistige Leitzentrale aktiviert, kann damit in unterschiedlichsten Bereichen sein Lernen oder die Wissensnutzung (= Transfer) verbessern. – Hierzu mehr in Kapitel  12.2 über das Lernenlernen.
    11.3 «Betreiben Sie auch Gehirnjogging?»
    Ja, Sie! Das machen Sie nicht? Aber Sie lesen doch gerade ein Buch! Oder ist das kein Gehirnjogging? Ach so, Sie denken da eher an besondere Übungen. Man muss z.B. knifflige Denksportaufgaben lösen, lange Zahlenreihen addieren, über Sudokus grübeln oder auf dem Bildschirm fix das passende Puzzlestück erspähen. Am besten besucht man einen Gehirnjogging-Kurs oder kauft sich spezielle Computerspiele oder Trainingsbücher.
    Vielleicht denken Sie gar nicht so. Doch sicherlich sind dies geläufige Vorstellungen zum Stichwort «Gehirnjogging», und inzwischen gibt es eine Branche, die damit Geld verdient.
    Kleine Spielchen – große Wirkung?
    Die Theorie hinter Trainings, die sich Gehirnjogging, «brain training» etc. nennen, ist in einem Punkt ähnlich wie die Vorstellung, dass manche Schulfächer allgemeine Denkfähigkeiten schulen: Man geht nämlich davon aus, dass
bestimmte
Aufgaben eine besondere Auswirkung auf das geistige Leistungsvermögen schlechthin haben, dass sie «den» Verstand, «die» Kreativität oder «das» Gedächtnis trainieren – dass sie eben das Gehirn «stärken», so wie man sonst durch Gymnastik die Muskelkraft stärkt. Zugleich gibt es aber einen wichtigen Unterschied: Beim sog. Gehirnjogging bearbeitet man gerade nicht bestimmte Sachgebiete wie Latein oder Mathematik, sondern inhaltsarme Aufgaben mit Zahlen, Buchstaben, Wörtern oder Bildern. So bekommt der Übende das Gefühl, hier wirklich nur zu «denken» und nicht etwa Fachwissen zu erwerben. Es werden also vorrangig solche Aufgaben als Gehirnjogging bezeichnet, mit denen der Trainierende in Alltag und Beruf normalerweise kaum Berührung hat.
    Der Irrtum hinter solcher Art von Gehirnjogging hat zwei Seiten: ( 1 ) «Normale» Aktivitäten in Alltag Schule und Beruf fördern nicht die geistige Leistungsfähigkeit, und ( 2 ) die angepriesenen Übungen hingegen sind wirksam.
    Verschiedene Studien, darunter ein von Adrian Owen geleitetes Brain-Training mit über 11 000 Teilnehmern, haben gezeigt, was auf diese Weise erreicht wird: Man verbessert sich in genau solchen Aufgaben, mit denen man «gejoggt» hat; hingegen gibt es keinen Transfer auf nicht geübte Aufgaben und Sachgebiete. Wer also viele Sudokus löst, kann besser Sudokus lösen, wer Kopfrechnen übt, kann besser

Weitere Kostenlose Bücher