Abschied von der Küchenpsychologie
für unterschiedliche Lernstoffe auch unterschiedliche Strategien: beispielsweise um sich Namen zu merken, um Vokabeln zu lernen, um die Kernaussagen eines Textes wiederzugeben usw. Eine Strategie, mit der Sie Weltmeister im Behalten einer Spielkartenserie werden können, wird Ihnen weder beim Schachspiel noch beim Vokabellernen etwas nützen. Weiterhin müssen die Strategien nicht nur verstanden, sondern auch geübt werden. (Hierzu mehr beim Thema Lernen lernen, s.S. 313 ff.)
Das Gleiche gilt für produktives Denken. Auch hier nützt kein tägliches Grübeln über Knobelaufgaben, sondern eher das Einüben von Strategien; Beispiele hierfür sind die Zielanalyse (was genau will ich erreichen?) oder das Brainstorming (zunächst unkritisch Einfälle notieren, erst später auswählen). Und erneut ist die große Bedeutung der Metakognition, also der Selbstreflexion und Selbstregulation bei den geistigen Aktivitäten, hervorzuheben. Strategien und Metakognition im Kontext jener Aufgaben zu üben, bei denen man sich verbessern will – darin liegen die Chancen für Steigerungen und nicht im inhaltsarmen Jogging, und sei es noch so anstrengend. Anstrengend ist nicht dasselbe wie anspruchsvoll!
Will man über bereichsspezifische Leistungssteigerungen hinaus für eine mehr oder minder
unspezifische
Förderung seiner Geisteskräfte sorgen, so scheinen dafür unter anderem folgende Wege hilfreich zu sein:
Sehr häufig geistig aktiv sein, aber nicht immer an Aufgaben derselben Art, sondern an wechselnden: beispielsweise Lesen, Schreiben, Rechnen, Musizieren, Malen, Jonglieren, Theaterspielen, Vortragen, Diskutieren, gemeinsames Spielen.
Aufgaben wählen, die nicht nur gut eingeübte Routinen verlangen, sondern durchaus neues Lernen – so bilden sich im Gehirn neue Verbindungen.
Aktivitäten wählen, die Spaß machen und zugleich eine gewisse Anstrengung erfordern. Das gilt auch für Spiele. Es muss nicht Schach sein, aber «Mensch ärgere dich nicht» doch lieber nicht.
Sport und Bewegung nicht vergessen (!), denn körperliche Fitness unterstützt auch geistige Fitness. Also: Wenn schon Jogging, dann eher «richtiges» Jogging im Wald als Gehirnjogging.
Für manche Menschen allerdings, bei denen all diese Empfehlungen ins Leere laufen, können spezielle Programme vielleicht doch von Nutzen sein.
Wer kann von speziellen Trainings profitieren?
Profitieren können Menschen, die geistig und körperlich wenig aktiv sind. So weiß man, dass bei Menschen, die längere Zeit im Krankenhaus liegen, die Leistungen im Intelligenztest absinken. Das ist offenbar auf einen Mangel an körperlicher Bewegung und an geistig anspruchsvollen Aufgaben zurückzuführen. Auch aus anderen Gründen kann es im Leben zu einem solchen Mangelzustand kommen. Wenn Menschen nicht mehr im Beruf sind, sich für kein Fachgebiet wirklich interessieren und nur ungern lesen, dann können sie möglicherweise durch bunte Denkspiele am Computer zu einem gewissem Maß an geistiger Aktivität motiviert werden. Nützlicher wäre es zwar, sie würden z.B. einen ordentlichen Computerkurs besuchen, aber geistige Betätigung mit Spielchen, die sich hochtrabend «Gehirnjogging» nennen, ist in jedem Fall besser als gar nichts.
Für ausgesprochen lernschwache Menschen können solche Denkspiele ebenfalls hilfreich sein, so Neubauer & Stern, sofern sie an den schriftlichen oder bildlichen Aufgaben üben, worauf man bei kognitiven Anforderungen zu achten hat, beispielsweise: «Ich schaue genau hin, was ich hier machen soll», oder: «Ich vergleiche die Antworten erst mal in Ruhe». Vielleicht lernen sie also an solchen Aufgaben, strategisch vorzugehen und sich selbst zu regulieren (Metakognition), statt impulsiv zu reagieren. In besonderen Fällen können also Gehirnjogging-Produkte aufgrund ihrer Aufmachung und ihrer technischen Reize Menschen aktivieren, bei denen das auf anderen Wegen nicht oder nicht so leicht gelingt.
Was ganz anderes ist es aber, geistig aktiven Menschen zu suggerieren, sie könnten nur mit solchen Übungen ihr Potenzial ausschöpfen und ihre Intelligenz über das bisherige Niveau hinaus steigern. Da sieht man z.B. in der deutschsprachigen Werbung für «Dr. Kawashimas Gehirnjogging» einen Professor, der sich, so wird suggeriert, auf diese Weise geistig auf Trab hält. Als wenn der das nötig hätte! Wieso soll es Gehirnjogging sein, wenn man solche Aufgaben löst, aber kein Gehirnjogging, wenn man eine anspruchsvolle Diskussion führt, eine
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