Abschied von der Küchenpsychologie
seit langem bekannt ist: Nichts ist so wichtig wie das Lehrerverhalten – nicht das Schulsystem, nicht die Klassenstärke, nicht die Ausstattung der Schule oder andere Faktoren, über die zwar viel gestritten wird, die aber viel weniger bewirken als die «weichen» pädagogischen und psychologischen Faktoren.
Viele Forschungen haben inzwischen herausgefiltert, wie erfolgreiches Lehrerverhalten aussieht. Eine ganz allgemein gültige Antwort ist zwar nicht möglich, weil kein Unterricht in
jeder
Hinsicht der optimale sein kann. Denn zu beachten ist immer: Für welche Lernziele und für welche Kinder ist dieser Unterricht besonders geeignet? Dennoch gibt es einige Unterrichtsmerkmale, die man als
typische
Erfolgsfaktoren ansehen kann. Zu diesen Faktoren gehören:
die Klassenführung, das heißt jener Bereich des Lehrerverhaltens, der nicht das eigentliche Lehren betrifft, sondern in erster Linie für geordnete Abläufe, aktive Mitarbeit und geringe Störungen sorgt – denn nur so kann die Lernzeit gut genutzt werden (s. auch S. 298 ff.),
Klarheit, Verständlichkeit in der Sprache, gute Strukturierung des Unterrichts,
transparente Leistungserwartungen, also Informationen über die Lernziele, über die Anforderungen in Tests und Klassenarbeiten und darüber, wie sich die Schüler/innen gut vorbereiten können,
die Stimulierung geistiger Aktivitäten durch die Art der Aufgaben und Art der Darbietung von Lehrinhalten,
die Motivierung durch eigene Begeisterung, durch Lebensnähe, durch herausfordernde Aufgaben,
eine gewisse Variation der Unterrichtsmethoden,
individuelle Rückmeldungen und Unterstützungen.
Wenn dann auch noch Freundlichkeit und Ansprechbarkeit der Lehrkraft hinzukommen, ist man schon nahe am Ideal.
Man sieht: Die Lehrmethoden sind nur ein Aspekt von vielen, und pauschale Urteile (z.B. «Frontalunterricht bringt nichts») sind wissenschaftlich nicht haltbar. Letztlich ist ja auch jede Methode nur so gut, wie die Lehrkraft sie umsetzt. Zudem gibt es nicht ein einziges optimales Unterrichtsmuster, sondern verschiedene Muster können gleich erfolgreich sein. Daher darf man sich aus den eben genannten typischen Faktoren erfolgreicher Unterrichtsführung auch nicht einen einzelnen herausgreifen und für den allein seligmachenden halten, denn auf das Zusammenspiel verschiedener Komponenten kommt es an. Lehrer A hat seine Stärken hier und Lehrerin B hat sie dort. Schwächen an der einen Stelle können durch Stärken an anderer Stelle kompensiert werden, sodass im Ergebnis ähnliche Erfolge erzielt werden. Das heißt aber nicht, dass jedes beliebige Unterrichtsmuster erfolgreich ist; denn es gibt ja auch ausgesprochen erfolglosen Unterricht. In welchem Rahmen sich das Lehrerverhalten bewegen sollte, dafür geben die genannten Aspekte eine gute Orientierung. Erfolgreiche Lehrer/innen haben in vielen dieser Punkte ihre Stärken, wenn auch nicht immer in allen. Und andere verstoßen gegen so viele Merkmale guten Unterrichts, dass in ihren
gehaltenen
Unterrichtsstunden insgesamt mehr aktive Lernzeit verloren geht als bei anderen Lehrkräften durch ein paar
ausgefallene
Stunden.
Die Forschungsergebnisse sprechen selbstverständlich nicht gegen kleinere Klassen. Doch sie legen nahe, dass die Auswahl und die Ausbildung von Lehrer/innen ein viel aussichtsreicherer Ansatzpunkt zur Verbesserung schulischen Lernens ist als die Klassengröße.
11.5 «Disziplin braucht Disziplinierung»
Von Disziplin ist meistens die Rede, wenn es daran mangelt: Schüler stören wiederholt den Unterricht, Jugendliche kehren betrunken in ihr Ferienlager zurück, eine Studentin schiebt trotz des nahenden Abgabetermins ihre Hausarbeit vor sich her. Positiv formuliert zeigt sich Disziplin darin, dass man, schön vernünftig, trotz gegenläufiger Wünsche und Gefühle, trotz Unbequemlichkeiten und Lustlosigkeit sein Handeln weiterhin auf wichtige Anforderungen ausrichtet. Zuweilen bedeutet Disziplin auch gleichförmiges Handeln einer Gruppe; man denke z.B. an das als Fraktionsdisziplin bekannte Abstimmungsverhalten aller Abgeordneten einer Partei. Disziplin heißt hier: Es gibt keine Abweichler. Allerdings: Vielleicht empfinden manche Menschen gerade einen Abweichler als diszipliniert, weil er trotz des Gruppendrucks seinem Gewissen folgt, und ebenso könnte ein Jugendlicher als diszipliniert gelten, wenn er dem Druck seiner Clique standhält und sich nicht besäuft.
Die Beispiele machen deutlich, dass man um eine wichtige
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