Abschied von der Küchenpsychologie
Reaktion.
Die Prävention stützt sich zum großen Teil auf ganz unauffällige Beeinflussungen. So ist es wichtig, dass die Lehrkraft deutliche
Präsenz
zeigt. Dazu gehören nonverbale Signale, die bei den Schülern den Eindruck erwecken, dass sie alles sieht und sogar «Augen im Hinterkopf» hat. Sie stellt sich so auf, dass sie die ganze Klasse im Blick hat, bewegt sich gelegentlich im Raum, lässt öfter den Blick schweifen und erstickt aufkommende Störungen im Keim, z.B. durch Anblicken oder zwei Schritte in Richtung Unruheherd. Lehrende mit hohen Störungsraten reagieren hingegen häufig erst, wenn eine Störung sich bereits ausgebreitet oder gesteigert hat, und versuchen dann, die Unruhe zu «übertönen».
Für Lehrkräfte mit guter Disziplin ist weiterhin typisch, dass sie den Unterricht nur selten wegen irgendwelcher Nebensächlichkeiten unterbrechen, sondern den
Unterrichtsfluss
aufrechterhalten. Lehrer/innen mit Disziplinproblemen neigen dazu, bei auftretenden Störungen vor der Klasse über die Störung zu sprechen. Lehrer/innen mit wenig Disziplinproblemen bremsen Störungen nonverbal ab oder lenken mit knappen Bemerkungen so schnell wie möglich zu den Lernaktivitäten zurück («Schau auf deine Textaufgabe»).
Lehrkräfte mit guter Disziplin schaffen es gewöhnlich, die
ganze Klasse zu aktivieren
, also auch diejenigen einzubeziehen, die im Moment nicht «dran» sind und in private Beschäftigungen abgleiten könnten. Aktivierend wirken nicht nur interessante Inhalte und anregende Lehrmethoden, sondern auch ein lebendiger Vortragsstil, eine deutliche Stimme, wandernde Blicke bei einer Lehrerfrage, gut verteiltes Aufrufen und kleine Leistungskontrollen zwischendurch.
Nicht zuletzt sorgt das Einführen von langfristig gültigen
Regeln
für Disziplin, nach Möglichkeit gemeinsam mit der Klasse und in Abstimmung mit anderen Lehrkräften. Natürlich sind Regeln nur wirksam, wenn auch die Lehrkraft selbst sie ernst nimmt. Beispielsweise wird die Melderegel untergraben, wenn man zugerufene Beiträge doch verwertet, weil es gute Beiträge sind.
Darüber hinaus ist es meist ein sehr effektiver Weg, eine Belohnung für reibungslose Mitarbeit anzukündigen, z.B. ein beliebtes Spiel am Ende der Stunde oder eine Verminderung der Hausaufgaben. Statt das unerwünschte Verhalten zu bekämpfen, würde man hier also das erwünschte Verhalten «hervorlocken» – und auf dieser «positiven Schiene» zugleich ein viel angenehmeres Klassenklima schaffen.
All diese sanften Beeinflussungen bieten Alternativen zu endlosen Ermahnungen, zu Ärgerreaktionen und Bestrafungen. Dass dennoch viele Lehrkräfte so oft das Heil in bedrohlichem Durchgreifen suchen, hat wohl mit unterschiedlicher Auffälligkeit zu tun. Wenn ein Lehrer brüllt und Strafen erteilt und dies kurzfristig zu bravem Verhalten führt, fällt das auf und es entsteht der Eindruck: Darauf kommt es an. Wenn hingegen eine Lehrerin durch flüssigen und aktivierenden Unterricht die Mitarbeit fördert und Störungen so nebenbei auf nonverbalem Wege im Keim erstickt, dann ist diese Beeinflussung so unauffällig, dass kaum jemand darin ein Erfolgsrezept gegen Disziplinprobleme erkennen würde.
All diese Einflussnahmen, so nützlich sie auch sind, erzeugen aber in erster Linie Fremddisziplin und nicht Selbstdisziplin. Das sieht man daran, dass die Disziplin in der nächsten Stunde bei einer anderen Lehrkraft wieder verflogen sein kann. Wertvoll ist solche Disziplin dennoch, da sie eine wesentliche Grundlage für effektiven Unterricht ist. Ein höheres Ziel wäre es, alle Schüler/innen nachhaltig zu Selbstdisziplin zu erziehen, doch dies ist im Rahmen der Schule natürlich viel schwieriger. Welche Möglichkeiten gibt es dafür überhaupt?
Selbstdisziplin
Während Fremddisziplin auf äußere Einflussnahmen angewiesen ist (wenn auch nicht unbedingt auf Disziplinierungsmaßnahmen), zeigt sich Selbstdisziplin unter anderem darin, dass ein Mensch auch dann ein Verbot nicht überschreitet, wenn er dies gefahrlos tun könnte, oder auch dann auf ein Ziel hinarbeitet, wenn dies mit Verzicht und Unbequemlichkeiten verbunden ist. Es ist leicht möglich, dass zwei Personen sich in gleicher Weise einer auferlegten Disziplin fügen und sich zugleich deutlich unterscheiden, wenn ihre Selbstdisziplin auf die Probe gestellt wird.
Wie kann diese innere Kontrolle gefördert werden? Zum Teil hängt dies davon ab, in welchem Verhaltensbereich sich die Selbstdisziplin beweisen soll,
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