Abschied von der Küchenpsychologie
Büchern (z.B. in diesem Buch die Grundaspekte zur Verhaltenserklärung, s.S. 46 ) regen zu solchen mentalen Modellen an. Sie sind nicht Abbilder wie ein Foto, sondern Bedeutungsnetze mit visuell-räumlichen Anteilen. Solche Vorstellungen können das Organisieren und Behaltens des Wissens erheblich unterstützen.
Sinnarmes Wissen = Einprägungswissen
Setzen Sie bei den Pünktchen fort: «A – B – C – …». Na klar, was sollte denn anderes folgen als D?! Aber ein Kindergartenkind würde vielleicht fortsetzen: «… die Katze lief im Schnee». Beide Verknüpfungen sind willkürlich: Es gibt keinen Grund, warum auf C das D folgen sollte, und die Katze hat mit dem C ebenfalls nichts zu tun, sondern nur der Reim. Wer das Alphabet oder den Kinderreim gelernt hat, hat eine verbale Kette gelernt, aber keinen Sinnzusammenhang (nur der Satz mit der Katze ist in sich sinnhaltig).
Sinnarmes
Wissen besteht also aus mechanischen Assoziationen, die man nicht wirklich verstehen kann. Typische Beispiele sind:
Namen und Bezeichnungen: Wie heißt … dieses Kind, … diese Pflanze, … dieser Berg, … dieser Fluss?
Daten: Wie lang ist dieser Fluss? Wie viele Einwohner hat Slowenien? Wann erreichte Amundsen den Südpol?
Feste Wortketten: Ludwig van …: «Was da kreucht und …», «am helllichten …».
Feste grammatische Muster: Der Mond, des Mondes …; la lune, de la lune …; und natürlich die allseits beliebten unregelmäßigen Verben beim Fremdsprachenerwerb.
Einzelfakten: Die Fußball- WM 1958 war in …? Luft besteht überwiegend aus …?
Beim Lernen von solch
sinnarmem
Wissen kann man tatsächlich von Einprägen sprechen. Gehörte, gesehene oder abgelesene Bestandteile werden im Gedächtnis mehr oder minder originalgetreu abgebildet und mechanisch miteinander verknüpft: der Anblick einer Blume zusammen mit dem Namen «Veilchen», der Name «Zugspitze» zusammen mit « 2962 Meter», das englische «you» mit «have», aber «she» mit «has». Sofern man diese Verknüpfungen nicht «nebenbei» speichert (so, wie wir die Muttersprache lernen), sondern absichtlich herstellt, spricht man von Auswendiglernen.
In der Praxis enthalten viele Lernaufgaben sowohl sinnarme als auch sinnhaltige Anteile – etwa
Vokabeln
. Zwar denken viele Menschen zuerst an Vokabeln, wenn sie nach Beispielen für sinnarmes Einprägen gefragt werden, aber Vokabeln gehören nur begrenzt dazu! Zwar kann man auswendig lernen: Schlüssel = key; schreiben = to write; wo? = where? Hier lernt man ein neues
Wort
zu einer bekannten Bedeutung. Aber häufig hat ein Wort schon in der eigenen Sprache mehrere Bedeutungen (z.B. «ausziehen»), und die muss man
verstehen
, um das passende fremdsprachige Wort zu wählen; sonst könnte man ja auf die Idee kommen, «Ausziehtisch» mit «striptease table» zu übersetzen. Ebenso muss man eine abweichende
Bedeutung
des fremdsprachigen Wortes erlernen: Heißt «to go» einfach «gehen»? Heißt «education» wirklich «Erziehung»? Weil die Bedeutungen der Wörter, also ihr begrifflicher Gehalt, hier nicht deckungsgleich sind, ist eine einfache Paarbildung nicht sachgerecht. Für «gehen» etwa passt manchmal «to go» («let’s go home»), aber manchmal muss man z.B. «to walk» sagen. Und «Erziehung», so wie Eltern sie betreiben, entspricht eher «parenting» oder «child raising», während «education» mit Schule, mit Bildung und Fortbildung zu tun hat. Die Bedeutungen zu erlernen, heißt, die Wörter in passende Kontexte zu stellen bzw. sie in passende Maschen des Wissensnetzes einzuweben («education» hat zu tun mit …») – insofern kann auch das Lernen von Vokabeln durchaus ein Konstruieren von Verständniswissen sein.
Bei Einzelfakten kann der Übergang zu sinnhaltigem Wissen ebenfalls fließend sein. Wenn jemand auf z.B. die Frage nach dem Hauptbestandteil der Luft nur Stickstoff sagen kann, ist das noch ziemlich sinnarm. Kann er aber ein paar Erläuterungen zum Thema Luft ergänzen, so steht das Wort «Stickstoff» in einem sinnvollen Zusammenhang. Ähnlich ist es, wenn man zu historischen Ereignissen nicht nur die passenden Jahreszahlen assoziiert – beispielsweise 1918 , 1933 und 1945 –, sondern auch erläutern kann, wie die Ereignisse zusammenhängen. Oder, wie früher erläutert (s.S. 286 ): Die Position einer einzelnen Schachfigur ist sinnarm, eine Schachkonstellation hingegen ist sinnhaltig.
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