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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
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Methoden des Selbstmanagements, die bereits in Kapitel  5 (S.  96 ) skizziert wurden: Von der Selbstbeobachtung über eigene Zielsetzungen bis hin zur Selbstbelohnung für die Erreichung eines Handlungsziels. Besonders für effektives Lernverhalten im schulischen und akademischen Bereich spielt die sog. metakognitive Selbstregulation eine zentrale Rolle (siehe dazu Kapitel  12.2 zum Thema Lernen lernen).

12. Weitere Bildungs- und Erziehungsthemen
    Zu den bildungsbezogenen Themen des vorangehenden Kapitels kommen nun drei weitere hinzu: Zunächst werden grundsätzliche Fragen zu Wissen und Wissenserwerb erörtert. Anwendungsfragen stehen bei den anschließenden Themen im Vordergrund; dort geht es um das Lernen des Lernens sowie um Lernprobleme. Der Themenbereich Erziehung, zu dem schon das zuvor behandelte Problem der Disziplin gehört, wird fortgesetzt mit den Themen Erziehungsstile und Erziehungskonflikte.
    12.1 Wissenserwerb: Zwischen Einprägen und Konstruieren
    Wie kommt Wissen in den Kopf? Darauf gibt es mehr als eine Antwort. Denn Wissen und Wissen ist nicht dasselbe:
    «Ich weiß noch, wie dieser Unfall passiert ist», «Ich weiß noch, vor welchem Haus und bei welchem Wetter wir uns begegnet sind» – das sind Beispiele für
episodisches Wissen
, für Erinnerungen an erlebte Situationen.
«Ich weiß, wie diese Blume heißt», «Ich weiß, worum es in dem Roman geht» – das sind Beispiele für
semantisches Wissen
, für das typische begrifflich-verbale Wissen, wie man es vor allem in Schule und Studium erwirbt.
«Ich weiß, wie man das Fahrzeug bedient», «Ich weiß, wie man den Winkel halbiert» – das sind Beispiele für
prozedurales Wissen
, für Verfahrenswissen, das einem Tun zugrunde liegt.
    Diese drei Wissenstypen werden in der Psychologie besonders häufig unterschieden. In der Praxis können sie alle an einen gemeinsamen Lerninhalt geknüpft sein. Beispiel: Die englische Redensart «It’s raining cats and dogs». Ihre Bedeutung zu kennen, ist semantisches Wissen. Sie korrekt aussprechen zu können, ist prozedurales Wissen. Die Erinnerung, dass man sie bei Regenwetter in einem englischen Pub zum ersten Mal gehört hat, ist episodisches Wissen – wie übrigens auch das bekannte Phänomen, dass man den Platz einer Vokabel im Lehrbuch noch vor Augen hat («auf der Seite oben links»).
    Das episodische Wissen zum Wann und Wo soll hier aber nicht näher erörtert werden, denn man erwirbt es gewöhnlich nebenbei, ohne Absicht und ohne Anstrengung. Anders ist es mit dem semantischen und dem prozeduralen Wissen. Zwar ist auch hier beiläufiges Speichern möglich, doch in Schule und Ausbildung dominiert das gezielte, planmäßige und nicht selten anstrengende Lernen. Das semantische Wissen lässt sich noch weiter in zwei Untertypen differenzieren, nämlich in Verständniswissen und sinnarmes Einprägungswissen. Diese beiden Typen und das prozedurale Wissen werden im Folgenden genauer erläutert.
    Verständniswissen = gedanklich konstruiert
    Beim Stichwort Lernen denken viele Menschen an das Einpauken oder «Reinschaufeln» von Vokabeln, Zahlen, Einzelfakten. Aber wie weit käme man damit in der Schule und im Studium? Der größte Teil unseres Wissens, auf jeden Fall der wichtigere Teil, ist anderer Natur. Zu denken ist vor allem an Begriffe, Prinzipien, Grundideen und komplexes Tatsachenwissen. Beispiele:
    Begriffe: Was ist der Unterschied zwischen «legal», «legitim» und «gerecht»? Was versteht man unter «Lernen»? Was unter «Romantik»?
Prinzipien: «Was besagt das Hebelgesetz?», «Wann benutzt man einen Konjunktiv?»
Grundideen: Wie erklärt Darwin die Entstehung der Arten? Was ist der Hauptgedanke dieses philosophischen Textes?
Komplexes Tatsachenwissen: «Welche Entwicklungen führten zum Fall der Berliner Mauer?» oder «Von welchen Faktoren hängen Gedächtnisleistungen ab?»
    Das alles kann man sich nicht einfach einprägen wie Jahreszahlen, grammatische Endungen oder die Namen von Alpengipfeln. Lerninhalte wie die genannten muss man
durchdenken und verstehen
; der Lernvorgang hat insofern mehr mit Verarbeiten als mit Einprägen zu tun. Unser Arbeitsgedächtnis (s.S.  54 ) kann die neuen Inhalte nicht einfach ins Langzeitgedächtnis weiterreichen, sondern hat allerhand zu tun, sie mit unserem Vorwissen zusammenzubringen, neue Vernetzungen zu knüpfen und sie zu ordnen.
    Stellen Sie sich vor, alle Schüler/innen einer Klasse lesen denselben Text über die deutsche Romantik oder

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