Abschied von der Küchenpsychologie
Lenkung: Inwieweit machen Eltern deutlich, welches Verhalten sie erwarten, und versuchen sie, das Kind entsprechend zu lenken (engl. demandingness)?
Viele Erziehende liegen mit ihrem typischen Verhalten eher im Mittelbereich, andere zeigen deutliche Tendenzen in die eine oder andere Richtung. Aus der Kombination von je zwei hohen Ausprägungen kann man vier Typen bilden: Anforderung und Lenkung in Verbindung mit emotionaler Kälte ergeben den «autoritären» Stil. Die Kombination aus Anforderung und emotionaler Wärme wird «autoritativ» genannt. Fehlende Anforderung plus Wärme ergibt die «nachgiebige» Erziehung, fehlende Anforderung plus Kälte die «vernachlässigende» Erziehung.
Und nun noch einmal die Frage: Welche Erziehung ist die beste? Gemessen an den eingangs genannten Zielen bzw. Wirkungen, ist die autoritative Erziehung der klare Sieger; zumindest gilt das für unseren Kulturkreis. Bei den so erzogenen Kindern und Jugendlichen findet man häufiger als bei den anderen Stilen Selbstvertrauen und soziale Kompetenz, Leistungsbereitschaft, geringe emotionale Störungen und geringes antisoziales Verhalten. Der autoritäre Stil läuft demgegenüber vor allem Gefahr, Selbstvertrauen und soziale Kompetenz zu untergraben, der nachgiebige Stil begünstigt soziales Fehlverhalten und schwächt die Leistungsbereitschaft, der vernachlässigende Stil ist in jeder Hinsicht verheerend.
Man kann die Befunde auch so verstehen: Für eine gute Entwicklung brauchen Kinder erstens Wertschätzung und Anteilnahme, zweitens Orientierung, Struktur, Ordnung. Natürlich wird die Entwicklung eines Kindes nicht allein durch die elterliche Erziehung bestimmt, sondern auch von anderen Erziehungseinflüssen, von genetischen Faktoren und der Selbstgestaltung (s.S. 67 ff.). Das heißt, auch wenn Eltern in hohem Maße Zuwendung und Orientierung geben, könnte ihr Kind dennoch eine seelische Störung entwickeln. Denn sie können an der Entwicklung ihrer Kinder lediglich mitwirken – mehr nicht.
Konkrete Handlungsweisen
Die beiden Grundmerkmale geben einen Rahmen, doch wie kann eine autoritative Erziehung in der Praxis aussehen? «Autoritativ» ist eine ungewohnte und meines Erachtens unglückliche Bezeichnung, die mit autoritär verwechselt werden könnte. Vielleicht wäre «kommunikative» Erziehung passender, denn anders als beim autoritären Stil geht es nicht um Folgsamkeit, sondern um das Hinführen zu selbständigem, von Einsicht geleitetem Verhalten. Befehle und Zwang kommen daher allenfalls ausnahmsweise vor.
Typisch für den autoritativen oder kommunikativen Stil sind Erziehungshandlungen wie diese: Eltern erläutern und begründen, welches Verhalten sie wünschen. Sie achten darauf, dass Regeln und Absprachen eingehalten werden. Sie beaufsichtigen ihr Kind oder wissen, wo es sich aufhält. (All dies dient primär dem Aspekt Anforderung/Lenkung). Sie sind in aller Regel freundlich, sie sind zärtlich, sie hören gut zu und fühlen sich in das Kind ein. Sie interessieren sich für die Interessen und Sorgen des Kindes. (All dies vermittelt Wärme und Anteilnahme). Sie reagieren positiv auf erwünschtes Verhalten des Kindes. Sie lösen Konflikte vornehmlich durch Gespräche. (Dies dient beiden Erziehungsmerkmalen).
Man kann es auch so sagen: Die autoritative Erziehung besteht ganz wesentlich aus verbaler und nonverbaler Kommunikation mit sensiblem Empfangen und deutlichem Senden sowie aus Handlungen, die vorrangig das erwünschte Verhalten fördern und nicht so sehr das unerwünschte «austreiben» (s.u.). Auf diese Weise erhält das Kind eine Orientierung für sein Denken und Verhalten, und zugleich fühlt es sich angenommen.
Einige konkrete Erziehungspraktiken möchte ich etwas genauer erläutern. Für die dialogische Kommunikation sind diese zwei besonders förderlich:
Aktives Zuhören:
Man versucht, sich in die Empfindungen des Kindes einzufühlen und sie mit eigenen Worten zu umschreiben («Du bist traurig, weil …»; «Es würde dir also Spaß machen, wenn du …»). Dieses Annehmen von Empfindungen kann um Erklärungen oder Stellungnahmen erweitert werden. Beispielsweise kann man deutlich machen, dass man einen Wunsch versteht, ihn aber nicht erfüllen möchte («Du findest das richtig lecker, aber ich möchte es nicht kaufen, weil es ungesund ist»). Oder man kann ein Gefühl akzeptieren und zugleich ein Verhalten tadeln («Ich verstehe, wie wütend du warst; aber man darf andere nicht
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