Abschied von der Küchenpsychologie
autoritär erziehen will, wie mache ich es dann?
Vielleicht liegt es an dem Wunsch nach unkomplizierten Antworten, dass in den letzten Jahren gerade Bücher mit unglaublich einseitigen Botschaften zu Bestsellern wurden – Bücher, die wieder die Rückkehr elterlicher Macht und Disziplinierung propagieren oder den Leistungsdrill über alles stellen. Wer fundiertes Erziehungswissen mitbringt, wird solche Werke gar nicht ernst nehmen. Aber für viele Menschen ist Erziehung eben keine Frage der Sachkenntnis, sondern der persönlichen Meinung. Auf dieser Ebene lässt sich leicht streiten – man muss ja nichts überprüfen und nichts belegen.
Genau dies ist hingegen die Aufgabe der Wissenschaft, und die war in den letzten Jahrzehnten gewiss nicht untätig. Nur ist davon in der Öffentlichkeit wenig angekommen – leider, denn die Forschungsergebnisse liefern durchaus klare Auskünfte. Sie könnten vielen Eltern die Sicherheit geben, auf dem richtigen Kurs zu sein, und sie entlarven manche Talkshow-Beiträge als haltloses Geschwätz.
Der amerikanische Psychologe Laurence Steinberg hat sich so intensiv wie nur wenige in der Welt wissenschaftlich mit der Erziehung von Kindern und Jugendlichen befasst. Er kommt zu dem Schluss, dass auf diesem Gebiet die Erkenntnisse schon seit langem sehr eindeutig sind – viel eindeutiger als etwa bei Fragen nach der optimalen Ernährung oder dem bestem Weg aus einer internationalen Finanzkrise. «Die wissenschaftlich erarbeiteten Grundsätze einer gelingenden Erziehung haben sich in den letzten vierzig Jahren kein bisschen geändert. Es gibt klare und eindeutige Belege, dass bestimmte Erziehungsprinzipien mit einer gesunden Entwicklung des Kindes einhergehen (…). Wenn es den Anschein hat, dass die gängige Literatur widersprüchliche Ratschläge gibt, dann dürfte das daran liegen, dass sie selten auf fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreift.» Genau dies gilt sicher auch für den deutschen Sprachraum.
Der Maßstab: Gut ist Erziehung, die Gutes bewirkt
Natürlich kann die Wissenschaft nicht direkt entscheiden, was «gute» Erziehung ist, weil es dabei immer auch um Wertfragen geht. Aber sie kann wichtige Orientierungspunkte liefern; sie kann nämlich ermitteln, welche Art der Erziehung typischerweise welche Wirkung auf die Entwicklung der Erzogenen hat. Gut ist dann eine Erziehung, die positive Wirkungen erzielt. Und was sind positive Wirkungen? An dieser Stelle kommen persönliche Ansichten und Wertvorstellungen ins Spiel, und in dieser Hinsicht gibt es auch Unterschiede zwischen Epochen und Kulturen. Doch vermutlich gehen die Meinungen unter den heutigen Eltern in unserem Kulturkreis gar nicht so weit auseinander.
Versuchen wir es mal! Können Sie den folgenden
Zielen
zustimmen? Erziehung soll dazu beitragen, dass Kinder …
Selbstvertrauen und Selbständigkeit entwickeln,
sich im Umgang mit anderen Menschen weder egoistisch noch unterwürfig verhalten, sondern eher verantwortungsbewusst und kooperativ,
leistungsbereit sind, die Schule ernst nehmen und nach Erfolg streben (ohne dass dies ihr Leben vollkommen beherrscht),
kein antisoziales Verhalten zeigen, nicht gewalttätig und nicht kriminell werden,
keine psychischen Störungen entwickeln, nicht unter Ängsten, Depressionen oder psychosomatischen Beschwerden leiden.
Vermutlich haben Sie keine Probleme, diesen Zielen zuzustimmen. Nun die Frage: Welche Erziehung erreicht das am besten? Um eine Antwort geben zu können, muss man verschiedene
Erziehungsstile
vergleichen. Sehr verbreitet ist die Unterscheidung in «streng» und «nicht streng», doch die ist viel zu vage. Die Typologie «autoritär», «demokratisch» und «laisser-faire» (manche sagen: «antiautoritär»), die auch in der Psychologie lange Zeit üblich war, erwies sich ebenfalls als nicht differenziert genug, weil viele Erziehende in keine der «Schubladen» hineinpassen. Außerdem eignet sich der politische Begriff «demokratisch» nicht gut für den Umgang mit Einzelnen.
Stattdessen wird seit den 1950 er Jahren das Erziehungsverhalten sehr häufig nach zwei Grundmerkmalen (Dimensionen) charakterisiert, die man zu einem Koordinatenkreuz kombinieren kann. Die Tafel lehnt sich dabei an eine bekannte Zusammenschau von Maccoby & Martin an:
Wärme und Anteilnahme: In welchem Maße zeigen Eltern Zuwendung, Einfühlung und Resonanz gegenüber dem Kind (engl. responsiveness) bzw. Kälte und Zurückweisung (= negativer Pol)?
Anforderung und
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