Abschied von der Küchenpsychologie
Erziehung ist positives Lenken und Fördern, gute
Er
ziehung ist das Pflegen einer guten
Be
ziehung.
Im Rückblick: «Streng» oder «nicht streng» – eine dumme Alternative!
Wenn man all diesen Leitlinien zustimmt – was bleibt dann von einigen verbreiteten Erziehungsvorstellungen übrig?
«Sind Sie eine strenge Mutter/ein strenger Vater oder nicht?» – dies ist wohl die am häufigsten zu hörende Unterscheidung von Erziehungsstilen. «Streng» ist ein vager Begriff. Manche verstehen darunter die Neigung zum Strafen; andere meinen damit nur, dass man auf Regeln achtet und ihre Einhaltung ernst nimmt. Oder die Alternative «streng – nicht streng» bezieht sich darauf, wer mehr bestimmen darf: die Erziehungsperson oder das Kind.
Auf jeden Fall ist diese Gegenüberstellung wenig gehaltvoll, denn sie sagt nichts aus über die Dinge, auf die es wirklich ankommt. Gute Erziehung ist weder «streng» noch «nicht streng» (oder «liberal»). Sie ist feinfühlig und lenkt auf positive Weise. Auf solche Aspekte käme man wohl eher zu sprechen, wenn man Eltern fragen würde: «Wie machen Sie deutlich, was Sie erwarten? Und wie zeigen Sie Einfühlung und Resonanz?» Oder kürzer: «Wie verbinden Sie Anforderung und Anteilnahme?»
Allzu simpel ist auch die Vorstellung: Wenn Eltern ihr Kind lieben, ergibt sich der Rest von selbst. Denn Liebe kann sich sehr unterschiedlich ausdrücken, und nicht immer läuft dies auf gute Erziehung hinaus. Vielleicht zeigt sich «Liebe» darin, dass man dem Kind jeden Wunsch erfüllt, dass man selber immer zurücksteckt, dass man Kritik vermeidet oder dass man überbehütet. Sein Kind lieben – daraus allein erwächst noch keine Kompetenz, und es schützt nicht vor groben Fehlern.
Umgekehrt darf es aber nicht an einer liebevollen Beziehung fehlen. Diese Gefahr besteht durchaus, wenn man die Hierarchie zwischen Erziehenden und Erzogenen und machtorientierte Handlungsweisen zum Angelpunkt der Erziehung erklärt. Primär mit Macht und Disziplinierung zu erziehen, ist keine Umsetzung von Liebe – auch wenn man noch so sehr beteuert: Natürlich liebe ich mein Kind. Liebe zeigt sich in Zuwendung und Einfühlung.
Eine weitere geläufige Aussage ist ebenfalls zu einseitig: Erziehung muss Grenzen setzen. Ja, stimmt, aber darauf sollte nicht der Schwerpunkt liegen. Eltern sind doch keine Polizisten! Der Satz mit den Grenzen beschränkt sich nämlich auf das Eindämmen von unerwünschtem Verhalten und lässt das Fördern des erwünschten Verhaltens unerwähnt. Die Aussage müsste daher lauten: Erziehung sollte Grenzen setzen, aber vor allem sollte sie Wege weisen. Um durch die Welt zu kommen, braucht ein Mensch mehr Wegweiser als Grenzen.
12.5 Erziehungskonflikte: Vorsicht, Fallen!
Erziehungskonflikte sind häufig ein Anlass, über das eigene Erziehungsverhalten nachzudenken. Denn Konflikte können Gewissheiten erschüttern, sie können die Eltern-Kind-Beziehung schwer belasten und sie können die Erziehenden in verschiedene Fallen treiben.
Erste Falle:
Man handelt so, wie man es eigentlich nicht möchte; man tut Dinge, die dem Selbstverständnis als Mutter oder Vater zuwiderlaufen. So kann es sein, dass man in ein Verhaltensmuster aus Befehlen, Drohungen und Beschimpfungen zurückfällt, dies mit der Wahrung der elterlichen Autorität begründet, aber einen unangenehmen Preis dafür bezahlt: ein gereiztes Familienklima, in dem konstruktive Lösungen nun noch schwieriger werden.
Zweite Falle:
Man fördert ungewollt «falsches» Verhalten. So kann etwa die eigene aggressive Durchsetzung zu aggressiven Gegenreaktionen führen. Unterwirft man sich hingegen dem Kind, um dessen Zuneigung nicht zu verlieren oder «um des lieben Friedens willen», unterstützt man nicht selten «tyrannisches» Verhalten des Kindes.
Dritte Falle:
Man denkt nur daran, wie man den akuten Konflikt beenden kann, und verliert dabei die langfristigen Erziehungsziele aus den Augen. Eigentlich möchte man das Kind durch Gespräche zu Einsicht und selbständigem Handeln führen, aber im Augenblick kommt es nur darauf an, dass Tante Frieda am Nachmittag in ein aufgeräumtes Zimmer blicken kann.
Viele Fehler haben damit zu tun, dass man Erziehung zu sehr als eine Machtfrage versteht: Wer setzt sich durch? Macht das Kind, was ich will, oder mache ich, was das Kind will? Dieses Denken kann gerade in Konfliktsituationen beherrschend werden. Doch in der Regel gibt es durchaus dritte Wege, die zu beiderseitig
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