Abschied von der Küchenpsychologie
gelungene Identitätsentwicklung
Früher, da ich unerfahren
und bescheidner war als heute,
hatten meine höchste Achtung
andre Leute.
Später traf ich auf der Weide
außer mir noch mehre Kälber,
und nun schätz ich sozusagen
erst mich selber.
Wozu das Jugendalter gut ist:
Wenn man das Jugendalter in erster Linie als Krisenzeit zwischen Kindheit und Erwachsenenalter betrachtet, übersieht man völlig die wichtigen Entwicklungsaufgaben, die diese Phase zu erfüllen hat und bei den meisten auch erfüllt. Die sozialen Beziehungen außerhalb der Familie erweitern sich durch die stärkere Hinwendung zu den Gleichaltrigen und die Bildung erster Paarbeziehungen. Hinzu kommen Fortschritte in den kognitiven Fähigkeiten, besonders im abstrakten Denken; im persönlichen Zeithorizont gewinnt der Blick in die Zukunft große Bedeutung. Als
das
Leitthema des Jugendalters gilt gewöhnlich die Suche nach einer Identität, nach Antworten auf die Frage «Wer bin ich?». Dies zeigt sich unter anderem in zunehmender Selbstreflexion und der Entwicklung einer eigenen Weltanschauung. All dies sind notwendige Veränderungen im Prozess des Erwachsenwerdens.
Jugendliche fördern
Unterstützt werden kann die positive Entwicklung im Jugendalter durch einen angemessenen Erziehungsstil und durch passende Aufgaben.
Was die
Erziehung
betrifft, so sagen manche Experten: Jugendliche kann man gar nicht mehr «erziehen», mit der Pubertät ist die Erziehungsphase vorbei. Tatsächlich ist es wohl besser, vom «Umgang» mit den Jugendlichen zu sprechen. Auf jeden Fall ist es vernünftig, in erster Linie auf den Dialog zu setzen, auf einfühlsame Kommunikation und zuweilen auch Überzeugungsarbeit (s. Kapitel 12.4 , S. 329 ff.). Gut ist es, wenn die Erziehenden angenehme Gesprächspartner sind und die Kinder als gleichwertige Gesprächspartner behandeln. Gut ist es, wenn sie mitdenken und beraten, aber auch eigene Wünsche, Sorgen und Erwartungen mitteilen – ganz so, wie es auch unter Erwachsenen sein sollte! Gut ist es, wenn Eltern dies schon von früh auf in jeweils altersgemäßer Weise praktizieren und damit die Kinder schrittweise zu selbständigem und verantwortungsbewusstem Verhalten anleiten. Dann ist es unwahrscheinlich, dass es zu einem dramatischen Bruch kommt zwischen der Kindheit, in der «erzogen» wurde, und der Jugendzeit, in der sich die Erzogenen der Erziehung entziehen!
Weiterhin ist es wichtig, Jugendliche vor
Aufgaben
zu stellen, die den wachsenden Kompetenzen und dem Streben nach Autonomie und Selbsterprobung besser gerecht werden als die weitgehend fremdbestimmten und oft auch weltfernen Lernstoffe der Schule. In der Tat kann man ja erleben, dass Jugendliche – ohne eine Spur von Null-Bock-Mentalität – sich bei manchen Aktivitäten bis zum Äußersten fordern, z.B. wenn sie Musik machen, Theater spielen, Sport treiben, eine Abenteuerreise unternehmen oder eine Schülerfirma organisieren (Fahrradservice, Schulkiosk etc.).
Nicht wenige lassen sich auch durchaus von schulischen Lerninhalten begeistern, aber selten vom Gesamtprogramm, sondern eher von einzelnen Fächern oder auch nur von speziellen Themenbereichen eines Faches. Es wird wohl zu wenig beachtet, dass sich im Laufe des Jugendalters die individuellen Interessen differenzieren. Das heißt: Das Interesse an bestimmten Sachgebieten wächst oder bleibt erhalten, während es in vielen Fächern nachlässt. Diese Konzentration auf wenige Bereiche dient der psychischen Ökonomie – denn auf Dauer ist es schwer möglich, überall interessiert und kompetent zu sein. Die Folge dieses Auswahlprozesses ist aber, dass in allen Fächern das durchschnittliche Interesse der Schüler/innen sinkt. Viele Lehrkräfte bekommen das zu spüren – aber interessieren sie sich denn selber für all die Fächer, die an der Schule gelehrt werden?!
Um der natürlichen Interessendifferenzierung im Jugendalter gerecht zu werden, wäre es vielleicht sinnvoll, nach und nach die Wahlmöglichkeiten in der Schule auch über das traditionelle Fächerspektrum hinaus zu erweitern (wie etwa in Großbritannien), statt die Lernzeit der Jugendlichen mit Pflichtfächern vollzustopfen, die sie nach dem Abitur nie mehr anrühren werden.
Jugendliche mit gravierenden Problemen
Dass Kinder, die bislang völlig stabil, freundlich, lernmotiviert und sozial kompetent waren, sich mit dem Eintritt ins Jugendalter plötzlich in labile, widerspenstige, lustlose, aggressive und kiffende Wesen
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