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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
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problematisch sein kann, die ausschließlich häusliche Betreuung allerdings auch!
    Worauf es ankommt
    Auf welche Bedingungen sollte man im Einzelfall achten? Wovon hängt es ab, welche Auswirkungen zu erwarten sind? Die Berufstätigkeit von Eltern steht nicht für sich allein, sondern ist in den gesamten familiären Kontext sowie in äußere Lebensumstände eingebettet. Daraus ergibt sich, dass in manchen Fällen besondere Faktoren zu bedenken sind, die in anderen Fällen keine Rolle spielen. Die folgenden Punkte sind aber so gut wie immer von Bedeutung:
    Es kommt nicht darauf an, ob die Mutter berufstätig ist oder nicht, sondern darauf, ob sie mit ihrer Rolle
zufrieden
ist. Wenn Sie also gerne zu Hause oder gerne berufstätig ist, ist dies eine günstige Bedingung. Wenn Sie hingegen ungern Hausfrau oder ungern berufstätig ist, kann das auch für die Kinder problematisch sein. In welcher Stimmung die Mutter zu Hause tätig ist bzw. in welcher Stimmung sie von der Arbeit zurückkehrt, das ist also durchaus von Bedeutung. Hier ist sicher auch wichtig, ob der Partner die jeweilige Rolle moralisch und praktisch unterstützt oder nicht. Problematisch ist es, wenn der Partner die Berufstätigkeit seiner Frau ablehnt oder sie umgekehrt zum Geldverdienen drängt.
Der Kernpunkt: Es ist nicht so wichtig,
wie lange
die Mutter anwesend ist, sondern
wie
sie anwesend ist, also wie sie mit dem Kind umgeht: Ob sie mit dem Kind spricht, ob sie gut zuhört, ob sie seine Bedürfnisse erspürt, ob sie zärtlich ist, ob sie mit ihm spielt, ob sie vorliest, ob sie Fernsehbilder erklärt, ob sie vorrangig durch positive Resonanz auf erwünschtes statt durch Strafen für «falsches» Verhalten erzieht – all dies ist wichtig. Zugespitzt: Drei Stunden feinfühliger, anregungsreicher Umgang mit dem Kind sind besser als neun Stunden Anwesenheit, in denen das «Kümmern» vor allem in physischer Versorgung oder gar in permanenten Zurechtweisungen besteht.
Zu bedenken ist selbstverständlich immer auch die
Qualität der verfügbaren Fremdbetreuung
. Die Krippe, die Tagesmutter und der Kindergarten können so vorzüglich sein, dass sie für das Kind eine große Bereicherung sind. Aber zuweilen kann man natürlich auch auf fragwürdige Betreuungsangebote stoßen. Dabei gilt auch für die Betreuungseinrichtungen, ebenso wie für die Familie, dass der persönliche Umgang der Betreuer/innen mit den Kindern der wichtigste Punkt ist, wichtiger als etwa die materielle Ausstattung.
    Rückblick:
Das Thema «mütterliche Berufstätigkeit» ist ein Beispiel dafür, dass eine Frage, die sich nur durch wissenschaftliche Tatsachenforschung beantworten lässt, in der Öffentlichkeit wie eine Frage von Glaubenssätzen und moralischen Wertungen («Rabenmütter») debattiert wird. Es ist zugleich ein Beispiel für die Neigung, allein aus einem äußeren Tatbestand psychologische Schlüsse zu ziehen, ohne nach den Sachverhalten zu fragen, auf die es wirklich ankommt. Der Tatbestand «Mutter fast immer zu Hause» oder «Mutter geht zur Arbeit» ist sichtbar und wird daher in seiner Bedeutung überschätzt. Das, was wirklich zählt, nämlich die feinfühlige Mutter-Kind-Interaktion, ist eher subtil und unauffällig und wird daher in seiner Bedeutung oft nicht richtig erkannt.
    7.5 «Das Jugendalter ist eine Zeit des Aufruhrs»
    Jugendliche sind seltsame Wesen, die sich gerne ins Koma saufen, die Arme einritzen und Krawalle veranstalten. Sie sind stimmungslabil, mimosenhaft, unzugänglich und dauernd in Opposition zu Eltern und Lehrern. Und woher das kommt, ist auch klar: die Hormone! Da man gegen Naturgesetze nichts machen kann, kann man wohl nur geduldig warten, bis die Krise vorbei ist.
    Dies ist, überspitzt gezeichnet, das Bild, das viele Erwachsene vom Jugendalter haben. Und Klagen über «die heutige Jugend», zumindest über deren Widersetzlichkeit, haben eine lange Tradition; es gab sie schon im Altertum. Im 18 . Jahrhundert, in der Epoche der Romantik, wurde das Jugendalter zur Phase von «Sturm und Drang» erklärt, und diese Vorstellung hat zeitweilig auch die Entwicklungspsychologie beeinflusst.
    Jugendalter – Zeit der Krise und der Mängel?
    Um es vorwegzunehmen: Das Klischee enthält durchaus etwas Wahres. Aber es übertreibt maßlos, es übersieht die positiven Seiten des Jugendalters, und es verleitet zu dem Kurzschluss, dass auftretende Probleme von und mit Jugendlichen selbstverständlich mit der Entwicklungsphase zu tun hätten, während

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