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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
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nicht zurechtkommt, gewinnt man Handlungskompetenz, verbessert also die Selbstbewertung.
    Nicht bei allen Ängsten spielen Einschätzungsprozesse eine so bedeutende Rolle. Bei vielen Ängsten vor physischer Bedrohung, insbesondere bei spezifischen Phobien (s.u.), lösen bestimmte Reize völlig mechanisch und unwillkürlich eine Angstreaktion aus. Dies kann daher rühren, dass der kritische Reiz, z.B. ein Hund, mit einer eigenen schmerzhaften Erfahrung verbunden ist – ein Lernvorgang nach dem Prinzip der klassischen Konditionierung (s.S.  69 ). Aber auch durch die Beobachtung anderer können solche Reaktionen erlernt werden, z.B. wenn ein Kind sieht, wie ein anderes Kind von einem Hund gebissen wird und schreit – das ist dann ein Fall von Lernen am Modell (s.S.  68 ).
    Personfaktoren: Ängstlichkeit (en)
    Ängstlichkeit ist die individuelle Disposition zum Erleben von Angst. Als «ängstlich» würde man einen Menschen bezeichnen, der über einen längeren Zeitraum wiederkehrend Angst erlebt und dies nicht nur bei ganz bestimmten Auslösern (z.B. Höhenangst, Angst vorm Zahnarzt), sondern in unterschiedlichsten Situationen.
    Manchmal ist es problematisch, einen Menschen pauschal als «ängstlich» zu bezeichnen, weil es nicht wirklich eine durchgängige Neigung ist. Menschen mit ausgeprägter Selbstwert-Ängstlichkeit haben gewöhnlich nicht mehr Angst vor physischen Bedrohungen als andere Menschen. So kann jemand stark von Prüfungsangst geplagt sein, nur wenig hingegen von Angst vor Verletzungen oder Krankheiten. Die persönlichen Ängstlichkeiten können sogar noch spezifischer sein. So erzählte mir eine Studentin, die an der Uni unter heftiger Prüfungsangst litt, dass sie keine Probleme habe, vor großem Publikum angstfrei zu singen – obwohl es sich in beiden Fällen um Bewährungssituationen handelt.
    Entwicklungsfaktoren der individuellen Ängstlichkeit(en) liegen sowohl im Genom als auch in der Lebensgeschichte. Hier spielen z.B. ein autoritäres oder unberechenbares Erziehungsverhalten der Eltern sowie andere familiäre Erfahrungen eine Rolle, daneben auch, wie erwähnt, spezifische Erlebnisse.
    Ein altes Thema ist die Frage, ob Mädchen/Frauen ängstlicher sind als Jungen/Männer. Die Befunde sprechen eher für ein Nein. Dass Frauen sich häufiger in eine Therapie begeben, ist ebenso wenig ein verlässlicher Indikator wie Selbstberichte in Befragungen. Offenbar sprechen Frauen leichter über Emotionen als Männer und geben somit auch Ängste eher zu. Doch nach objektiven Angstindikatoren (Verhalten, Leistungen, körperliche Erregung) waren in verschiedenen Untersuchungen keine Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Personen zu finden (nach Lazarus-Mainka & Siebeneick). Auf jeden Fall ist in punkto Ängstlichkeit das Geschlecht ein wenig ergiebiger Gesichtspunkt. Viel wichtiger ist es, auf die einzelne Person zu schauen.
    Exkurs zu misserfolgsängstlichen Menschen:
Angst in Leistungssituationen gibt es nicht nur als heftige Prüfungsangst bzw. Lampenfieber (s.o.). Weniger auffällig sind die Phänomene, die man bei den als misserfolgsängstlich oder misserfolgsmotiviert bezeichneten Menschen findet. Während die sog. Erfolgszuversichtlichen eine Leistungssituation als Herausforderung erleben und gewöhnlich einen Erfolg erwarten, sofern sie sich nur genügend anstrengen, kreisen bei den Misserfolgsängstlichen die Gedanken nur um einen Misserfolg und die Frage, wie sie ihn vermeiden können. (Zwischen den Typen gibt Zwischenstufen).
    Misserfolgsängstliche – das können auch Menschen mit guten Leistungen sein! – möchten Leistungssituationen am liebsten ganz meiden, aber das ist natürlich oft unmöglich. Ein Ausweg kann es da sein, sich ganz niedrige oder unrealistisch hohe Ziele zu setzen. Denn das leichte Ziel schafft man sicher, das zu hohe schafft auch sonst kein Mensch. So vermeidet man echtes Versagen – aber einen Erfolg erlebt man auch nicht! Mittelschwere Ziele (ein bisschen über dem bisherigen Niveau) wählen sich Misserfolgsängstliche deutlich seltener als Erfolgszuversichtliche.
    Typisch ist auch, wie sie sich ihre Leistungen erklären. Was eigentlich ein Erfolg ist (z.B. eine gute Note), erklären sie nach dem Motto: «Blindes Huhn findet auch mal ein Korn», nämlich mit äußeren Faktoren wie glücklichen Umständen oder mildem Lehrerurteil – sodass sie wiederum keinen Erfolg
erleben
. Misserfolge dagegen führen sie auf sich selbst zurück, genauer: auf die

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