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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
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Veränderungen, und hier anzusetzen, ist sicherlich der erste Impuls vieler Menschen. Beispiele wären etwa die Reduzierung der Arbeitsbelastung oder das Meiden von Personen, mit denen man häufig in Konflikt gerät. Ein problematisches Lösungsverhalten ist Überengagement, also das Bemühen, jeden kleinen Mangel in der bisherigen Leistung durch immer größeren Einsatz wettzumachen. Das kann in eine permanente Selbstüberforderung und schließlich in einen Burnout-Zustand, eine depressive Erschöpfung, münden.
    Auch eine
Neubewertung
von Anforderungen, Konflikten und anderen Stressoren kann zu einer Problemlösung beitragen. Man würde sich beispielsweise fragen:
    «Schätze ich die Anforderungen richtig ein? Wird wirklich so viel von mir erwartet, oder male ich mir das selber aus?»
«Sind meine Ziele realistisch? Laufe ich meinen Ansprüchen nicht ständig hinterher?»
«Muss ich diese Kritik wirklich so schwer nehmen? Kann ich nicht einfach damit leben, dass X das anders sieht als ich selbst?»
    Solche Überlegungen führen vielleicht zu realistischeren Einschätzungen und Zielsetzungen und damit zu neuen Bewältigungschancen.
    Außer bei den Stressoren und den Bewertungen kann man auch beim
Verhalten
, bei den Bewältigungshandlungen, ansetzen. Im Leistungsbereich könnten das beispielsweise frühzeitige Planung, effektivere Lernstrategien oder Checklisten gegen Vergesslichkeit sein. In anderen Fällen, etwa bei wiederkehrenden destruktiven Konflikten, wäre vielleicht ein Kommunikationstraining von Nutzen. Und gegen pannenreiche Hektik hilft vielleicht eine Selbstinstruktion, ein inneres Kommando wie: «Ich mache das jetzt langsam, Schritt für Schritt.»
    Nun zur
Beeinflussung des Stresszustandes
. Ratschläge in dieser Richtung liest man besonders häufig – wer kennt sie nicht? Da geht es um Ablenkung und Ausgleich durch vergnügliche Hobbys, unterhaltsame Spiele oder angenehme Geselligkeiten und nicht zuletzt um körperliche Bewegung und sportliche Aktivitäten, die ja sogar die Behandlung von Depressionen unterstützen können. Empfohlen werden weiterhin Entspannungsverfahren wie autogenes Training, Muskelentspannung oder Meditation. Und dann gibt es auch noch allerlei Dinge zum Einnehmen, von Beruhigungstees über Alkoholika bis zu Medikamenten. Hier greift die Werbung kräftig ein, und hier lauern natürlich auch Gefahren, wie jeder weiß. Denn solche Wohltuer sind leicht verfügbar und rasch in der Wirkung. Gerade deshalb erfordert es Selbstkontrolle, hier nicht in eine Falle zu geraten. – Alle diese Beispiele sind Handlungen, gehören also zu Einflussnahmen auf der
Verhaltens
ebene.
    Doch gerade bei der Regulierung von Emotionen sollte man auch die
Bewertungen
nicht vergessen. Die Neubewertung der Anforderungen, wie sie oben an Beispielen beschrieben wurde, dient nicht nur einer realistischeren Problembewältigung, sondern auch der Emotionsregulierung. Wer es schafft, seine Bewertungen in die Richtung «Das ist nicht so dramatisch» oder «Schritt für Schritt kann ich das schaffen» zu lenken, wird damit auch seine Emotionen beruhigen.
    Sinnvolle Tipps sind eine Sache, ihre Beherzigung ist eine andere! Was nützen die schönsten Entspannungsmethoden, wenn man glaubt, man habe dafür keine Zeit?! Vielleicht dringt man eher zum Kernproblem vor, wenn man sich fragt: Warum mache ich das nicht, obwohl es mir sicher gut tun würde? Es könnte herauskommen, dass das ganz persönliche Stressproblem tief in die eigene Lebensgestaltung, in zentrale Werte und Bedürfnisse eingebettet ist. Es könnte z.B. damit zu tun haben, dass man seinen Selbstwert nur über perfekte Leistungen definiert oder dass man bestrebt ist, es allen recht zu machen und niemanden zu enttäuschen. So wird vielleicht deutlich, dass «weniger Stress» nicht zu haben ist ohne eine Änderung der Lebensziele und Lebensgestaltung.
    Wichtig wäre also zunächst eine gründliche Selbstdiagnose (zu diagnostischen Hilfen s. Kapitel  6.2 ). Auf der personalen Seite wären zumindest eigene Einstellungen und Gewohnheiten unter die Lupe zu nehmen, und auf der Kontextseite sollte man spezifizieren, was genau als Belastung empfunden wird, z.B. welche Aufgaben oder welche Erwartungen von Mitmenschen. Es kann hilfreich sein, die Reflexionen aufzuschreiben oder einfühlsame Mitmenschen ums Mitdenken zu bitten. Möglicherweise führt dieser Klärungsprozess zu jenen Stellen, an denen Änderungen möglich sind.
    8.3 Angst, Ängstlichkeit und

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