Abschied von der Küchenpsychologie
Mechanismen der Relativierung unterscheiden:
Erstens: Unser Wohlbefinden hängt davon ab, wie wir
im Vergleich zu unseren bisherigen Erfahrungen
dastehen. Es gab Zeiten, da war für eine Sekretärin eine elektrische Schreibmaschine ein Anlass zu Freude – wenn sie bisher nur eine mechanische zur Verfügung hatte. Im Zeitalter des PC wäre sie eher ein Ärgernis. Ob uns etwas glücklich macht oder nicht, hängt also zum Teil davon ab, was wir aufgrund bisheriger Erfahrungen erwarten können; die Erwartungen ändern sich mit den Realitäten. Dieser Anpassungsprozess ist selbst bei Schicksalsschlägen wie einer Querschnittslähmung wirksam und hilfreich.
Zweitens: Es fördert unsere Zufriedenheit, wenn wir
im Vergleich zu anderen Menschen
gut dastehen. Wer das Elend mancher Bevölkerungsgruppen näher kennenlernt, beispielsweise um als Journalist darüber einen Bericht zu schreiben, wird die eigenen Lebensverhältnisse vermutlich mehr zu schätzen wissen. In erster Linie bedeutsam für unsere Gefühle ist der Vergleich mit «vergleichbaren» Menschen, z.B. mit Kollegen im Betrieb, aber nicht mit Bettlern oder Top-Managern. Wenn Menschen in unserer Nähe aufsteigen und wir finden, das hätten wir eigentlich auch verdient, dann macht das unzufrieden.
Ob ein Ereignis bei uns positive oder negative Gefühle weckt, hängt also maßgeblich von unseren Erwartungen ab, von Erwartungen, die durch die persönliche Vorgeschichte oder durch den Vergleich mit anderen entstehen. Doch darüber hinaus muss unser Wohlbefinden auch irgendwie mit der Persönlichkeit zu tun haben.
Personfaktoren
Nehmen wir an, Sie wollen einen bestimmten Menschen besuchen. Erwarten Sie dann nicht aufgrund früherer Erfahrungen, dass Sie wahrscheinlich auf einen heiteren, gut gelaunten oder dass Sie auf einen eher mürrischen Zeitgenossen treffen werden? Sind manche Menschen nicht fast ständig heiter, und andere nur dann, wenn sie gerade eine tolle Nachricht bekommen haben? Ist also der Grad des Wohlbefindens, den jemand ausstrahlt, nicht typisch für diesen Menschen? Und wundern wir uns nicht manchmal, dass ausgerechnet ein Mensch, der gewiss «kein leichtes Leben» hat, recht glücklich zu sein scheint, während ein anderer, dessen Wohlstand, Erfolg und netten Ehepartner wir kennen, eher gedämpfter Stimmung ist?
Es ist offenkundig: Menschen sind auch in dieser Hinsicht verschieden. Offenbar gibt es so etwas wie eine persönliche Disposition zum Wohlbefinden. Auf die Lebensbedingungen bezogen würde das, etwas überspitzt, bedeuten: Es sind nicht bestimmte Ereignisse und Umstände, die Menschen glücklich machen; es sind vielmehr bestimmte Menschen, die aus den Ereignissen glückliche Ereignisse machen – wie eben der Hans im Glück.
Eine Untersuchung von Diener & Seligman verglich die glücklichsten zehn Prozent einer studentischen Stichprobe mit mäßig glücklichen und unglücklichen Studenten. Dabei zeigte sich, dass die überaus glücklichen nicht mehr objektiv erfreuliche Ereignisse (erfolgreiche Prüfungen, angenehme «dates» u.a.) zu berichten hatten als die anderen. Allerdings waren sie durchweg gut in soziale Beziehungen eingebunden.
Andere Studien fanden, dass positive oder negative Ereignisse nur für kurze Zeit das Wohlbefinden steigern oder senken, selbst bei so einschneidenden Erfahrungen wie einem hohen Lottogewinn auf der einen Seite und einer Behinderung durch Unfall auf der anderen Seite. Allerdings sind die Befunde hier nicht ganz einheitlich. Es ist zwar unstrittig, dass es einen Gewöhnungseffekt gibt und sich die Euphorie bzw. die Verzweiflung wieder
in Richtung
auf die typische Stimmung vor dem Ereignis zurückbewegt. Strittig ist jedoch, ob jeder Mensch gar auf einen «set point» des Wohlbefindens eingestellt ist, zu dem er immer wieder zurückpendelt.
Dass die Grundstimmung eines Menschen Teil seines Temperamentes ist, ist immerhin gut gesichert. Denn tendenziell ist das Wohlbefinden bei extravertierten Menschen höher als bei introvertierten, und es ist tendenziell geringer bei Menschen mit hoher emotionaler Labilität oder gar depressiven Neigungen. Insofern ist das persontypische Glücksniveau sicher nur teilweise aus der Lebensgeschichte zu erklären, sondern es ist auch genetisch bedingt. Eineiige Zwillinge, berichtet Philipp Mayring, sind in ihrem Wohlbefinden ähnlicher als zweieiige.
Ist jeder seines Glückes Schmied?
Mit Blick auf die eben erwähnten Dispositionen könnte man diese Frage wohl kaum
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