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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
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ziemlich wehrlose, wiederholt und über einen längeren Zeitraum angegriffen und schlecht behandelt wird. Die einzelnen konkreten Handlungsweisen, mit denen gemobbt wird, sind aber dieselben wie die, die auch sonst unter den Aggressionsbegriff fallen: körperliche Angriffe, Angriffe mit Worten oder Gesten sowie Ausgrenzungen, heimliche Verleumdungen und anderes mehr. Beispiele:
    Ein Junge im Kindergarten (schon dort gibt es Mobbing!) darf in seiner Gruppe nicht mitspielen, außer wenn für das Rollenspiel «Familie» noch ein Hund gebraucht wird – dann darf er sich aber nur wie ein Hund benehmen (ein Beispiel aus den Forschungen von Françoise Alsaker).
Über einem Schüler wird von Mitschülern ein Mülleimer ausgeschüttet.
Ein Schüler wird von anderen festgehalten, getreten und eingeschüchtert, bis er sein Taschengeld herausgibt.
Eine Schülerin der Hauptschule bekommt immer wieder Anrufe und SMS -Nachrichten: «Wir werden dich bald schlachten», «Du kannst schon mal ein Grab bestellen» und ähnliche Gemeinheiten.
Auf einer Internetseite wird eine namentlich genannte Schülerin als Betrügerin, als lesbisch, als Aids-verseucht oder auf andere Weise verleumdet.
    Wenn solche Schikanierungen gegen dasselbe Opfer wiederkehrend vorkommen, lässt sich das nicht aus einem einzelnen Faktor erklären. Für das Entstehen von Mobbing kommt es vielmehr auf die
Gesamtkonstellation
aus Tätern, Opfern und Zuschauern in der jeweiligen Gruppe an, also etwa in einer Schulklasse oder einer Kindergruppe, bei Erwachsenen in einer Firmenabteilung etc. Wie wichtig die Gesamtkonstellation ist, zeigt sich darin, dass z.B. nach dem Wechsel auf eine andere Schule eine gemobbte Schülerin häufig keine Probleme mehr hat.
    Von den typischen Kennzeichen der Opfer war bereits die Rede; aber sie allein erzeugen kein Mobbing. Was die
Täter
betrifft, so haben sie in der Regel ein starkes Machtbedürfnis und eine positive Einstellung zu Gewalt, sie sind meist körperlich kräftig, ziemlich selbstsicher und wenig einfühlsam. Sie mobben nicht als Vergeltung für eine Provokation, da die meisten Opfer ja stille Kinder sind, die niemanden provozieren, sondern sie mobben aus purer Lust am Schikanieren, um Macht auszuüben oder um sich zu bereichern, z.B. Geld zu erpressen. Mobbing ist meistens eine
Gruppenhandlung
. Neben dem Haupttäter gibt es gewöhnlich Mittäter und indirekte Unterstützer, die z.B. Beifall klatschen oder kräftig mitlachen. Dem Haupttäter gelingt es, andere so zu beeinflussen, dass die Angriffe legitim erscheinen und eventuelle Hemmungen geschwächt werden. Ein authentisches Beispiel: Das schweigsame Verhalten des stillen, passiven Opfers deutet eine mobbende Schülerin gegenüber ihren Mitschülerinnen in dieser Weise um: «Die ist so eingebildet, dass sie nicht mit uns redet.» Manche Kinder machen aber auch mit, weil sie auf der Seite der Starken sein wollen und fürchten, sonst selber zum Mobbingopfer zu werden.
    Zur Gesamtkonstellation gehören außer den Tätern nicht nur die Opfer, sondern auch die
Zuschauer
, die das Geschehen entweder mit Interesse beobachten oder sich abwenden, jedenfalls nichts unternehmen, auch nicht, indem sie sich an die
Erziehungspersonen
wenden. Diese gehören in erweitertem Sinne ebenfalls zu den Zuschauern, und leider sind sie nicht immer zur Hilfe bereit, sondern erleichtern das Mobbing häufig noch, indem sie die Attacken mit der Begründung hinnehmen: «Die Kinder sollen ihre Streitereien unter sich ausmachen» (obwohl es sich bei Mobbing
nicht
um Streit handelt!), oder indem sie die Kinderregel unterstützen: «Du sollst doch nicht petzen» und damit die Täter statt der Opfer schützen, oder indem sie das Mobbingopfer verdächtigen, selber Gründe für die Angriffe geliefert zu haben, da sie sich grundloses Schikanieren nicht vorstellen können. Im Übrigen spielt auch das Betriebsklima und Erziehungsklima in der betreffenden Institution eine Rolle, und das wird stark von der jeweiligen Leitung bestimmt. Was in der einen Schule einfach hingenommen wird, wird in einer anderen unterbunden.
    Was Eltern und Lehrkräfte tun können
    Eltern wissen oft nicht, was in der Schule geschieht – weder die Eltern von Mobbern noch die der Gemobbten. Diese erzählen oft nichts, weil sie Angst haben, dass sie durch eine Intervention der Eltern ihre Position noch weiter verschlechtern, oder weil sie sich schämen und irgendwie schuldig fühlen (wie es auch bei Opfern sexuellen Missbrauchs

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