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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
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einer Frau beobachten und die Frau dabei ausruft: «Ich hätte dich nie heiraten sollen!», so wird viel seltener eingegriffen, als wenn die Frau ruft: «Was wollen Sie denn überhaupt von mir?»
    Personfaktoren: Warum helfen manche eher als andere?
    Ob jemand Hilfe leistet, hängt also von vielen Besonderheiten der Situation ab. Doch in derselben Situation verhalten sich nicht alle Menschen gleich – es gibt eben auch individuelle Unterschiede in der Hilfsbereitschaft. Zwar hilft niemand immer und überall. Doch gibt es Menschen, die von vielen als hilfsbereit bezeichnet werden, und andere, von denen das kaum jemand sagen würde.
    Auf welchen personalen Faktoren diese Unterschiede beruhen, darüber weiß man weniger als über die Kontextfaktoren. Klar ist, dass man die Hilfsbereiten nicht alle auf einen psychologischen Nenner bringen kann. Vor allem ist zu unterscheiden zwischen Menschen, die wiederkehrend oder dauerhaft helfen, und solchen, die durch einzelne Heldentaten auffallen. Bei den
fortdauernd Engagierten
spielt die Werthaltung «Es ist wichtig, anderen zu helfen», also eine moralische Einstellung, tatsächlich meist eine wichtige Rolle. Aber sie ist nur
einer
der relevanten Personfaktoren. Weitere sind die Tendenz, sich selbst verantwortlich zu fühlen, die Einfühlung in andere Menschen, ein Gefühl der Verbundenheit sowie Freude an der helfenden Tätigkeit. Sofern man andere Menschen vor Angriffen und Ungerechtigkeiten schützt und dadurch mit Dritten in Konflikt gerät, ist auch eine gute Portion Selbstsicherheit nötig, anders als etwa bei karitativen Tätigkeiten.
    In vieler Hinsicht stellt der familiäre Hintergrund die Weichen für die Entwicklung der relevanten Personmerkmale. Das elterliche Vorbild ist zweifellos von überragender Bedeutung. Doch auch das Übertragen von Verantwortung und das Anleiten zur Einfühlung sind Erziehungseinflüsse, die die individuelle Hilfeneigung fördern.
    Weniger als über die Fürsorglichen weiß man über Menschen, die durch spektakuläre
Heldentaten
auffallen, die z.B. Menschen aus einem brennenden Haus oder aus eiskaltem Wasser retten, nicht selten unter Lebensgefahr. Hier haben sich keine deutlichen Gemeinsamkeiten herausgeschält. In einer neueren Untersuchung von Walker und Mitarbeitern wurden Personen, die eine Medaille für besonders fürsorgliche Hilfe erhalten hatten, mit «Helden» verglichen, die wegen einer einmaligen Rettungstat ausgezeichnet wurden. Während man bei den dauerhaft Fürsorglichen unter anderem ausgeprägte moralische Einstellungen und Verbundenheit mit Mitmenschen fand, unterschied sich das Persönlichkeitsprofil der Retter im Allgemeinen nicht von denen «normaler» Menschen. Ihre Taten beruhten offenbar meist auf schnellen, impulsiven Entscheidungen aus der konkreten Situation heraus. Mithin könnten wohl viele «normale» Menschen plötzlich zu Helden werden.
    In unterschiedlichsten Notsituationen wird die Entscheidung zum Helfen wesentlich erleichtert, wenn man über das passende
Wissen und Können
verfügt. Umgekehrt: Häufig möchten Menschen durchaus helfen, aber sie wissen nicht, auf welche Weise. Auf Notfälle ist man gewöhnlich nicht vorbereitet, weil sie selten vorkommen und man deshalb keine Erfahrungen damit hat. Dann in Sekunden zu entscheiden, was jetzt zu tun ist, ist wirklich schwierig, zumal bei großer Aufregung. Wie wichtig geeignete Kompetenzen sind, zeigt sich aber auch in Situationen, die gar nicht so selten vorkommen, etwa eine technische Panne oder eine seelische Krise von Angehörigen oder Freunden.
    Von allen erwähnten Faktoren individueller Hilfsbereitschaft lassen sich Kompetenzen wohl am ehesten systematisch fördern, vermutlich leichter als moralische Werthaltungen oder Einfühlung. Wie das Beispiel der Ersten Hilfe zeigt, reicht es allerdings oft nicht aus, einmal im Leben das passende Wissen zu erwerben und Handgriffe einzuüben; Auffrischungen sind unverzichtbar. Meines Erachtens wäre es eine wirklich sinnvolle Aufgabe der Schule, wiederkehrend auf Erste Hilfe vorzubereiten (mit Unterstützung von Fachleuten). Oder hat Handlungswissen für Notfallsituationen nichts mit Allgemeinbildung zu tun? Auch die Medien könnten sicherlich wichtige Kenntnisse und Kompetenzen vermitteln. Über tragische Vorfälle mit unterlassener Hilfeleistung wird oft wochenlang berichtet; Videoaufnahmen von brutalen Überfällen, z.B. in der U-Bahn, werden wieder und wieder gezeigt. Aber wie oft gibt es Sendungen, in

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