Abschied von Eden
Nudel.
»Ich hab’ mir doch nicht den Arsch auf der Akademie aufgerissen, um so eine Arbeit zu machen«, sagte Lucinda.
»Kinder sind ganz schön anstrengend.«
Sie stand mit finsterer Miene auf. »Was mir am meisten stinkt, ist, daß man mir das automatisch aufs Auge gedrückt hat, weil ich ’ne Frau bin.«
»Ich übernehm’ sie jetzt.«
»Ich meine, warum hat der Sarge das nicht O’Grady oder Ramirez machen lassen.«
»Das weiß ich nicht, Lucinda.«
»Ja, ja, ich krieg’s schon noch raus.«
»Gibt’s eine Flasche für sie oder so was?«
»Yeah. Irgendwo. Die Kleine fand es offenbar lustig, sie durch den Raum zu schmeißen.«
Decker lächelte.
»Klar! Lach du nur! Du mußtest ja nicht babysitten.«
»Ich hab’ sie den ganzen Morgen bei mir gehabt«, sagte Decker.
Lucinda betrachtete ihn zweifelnd. »Und was erwartest du jetzt dafür? ’ne Medaille oder was?«
»Ich will nur das Kind.«
»Nimm es.« Lucinda warf ihre Handtasche über die Schulter. »Meinen Segen hast du.«
Sie stürmte aus dem Raum. Das Kind kicherte, als sie die Tür zuschmiß.
Das Pflegeheim unterschied sich kaum von den anderen Häusern im Block. Die Wände waren aus getünchtem Holz, das Dach mit Teerpappe gedeckt, von den Fensterrahmen blätterte die Farbe, und die grünen Markisen waren ausgebleicht. Auf dem Hof vor dem Haus, der von einem Maschendrahtzaun umgeben war, standen zwei Schaukeln und ein Klettergerüst. Mehrere Kinder in Shorts und T-Shirts spielten dort unter Aufsicht einer jungen Schwarzen.
Decker hielt mit dem Plymouth vor dem Haus, löste die Gurte von dem Kindersitz und hob das kleine Mädchen aus dem Wagen. Dann ging er zum Haus, entriegelte das Tor und zeigte der Frau draußen seine Dienstmarke. Sie nickte und schickte eins der Kinder, ein etwa siebenjähriges Mädchen, ins Haus.
Kurz darauf kam Sophi Rawlings heraus. Sie war von unbestimmter ethnischer Herkunft und hätte genausogut als hellhäutige Schwarze, Hispanierin oder als eine Asiatin mit krausen Haaren durchgehen können. Sie war eine vollbusige Frau Mitte Fünfzig, hatte eine kurze, graumelierte Afro-Frisur, braune Augen und eine breite Nase mit vielen dunklen Sommersprossen. Sie hatte eine beruhigende Art, was durch ihren singenden Tonfall noch verstärkt wurde. Als sie Decker mit dem kleinen Kind auf dem Arm sah, schnalzte sie mit der Zunge.
»Du liebe Güte, Sergeant Decker«, sagte sie. »Wo haben Sie denn das kleine Würmchen her?«
»Sie werden’s kaum glauben, ich hab’ die Kleine letzte Nacht auf der Straße aufgelesen.«
»Wo denn?«
»In der neuen Siedlung über der alten Kalkgrube.«
»Irgendwelche Anhaltspunkte?« fragte Sophi.
»Bisher nicht.«
Sophi legte eine Hand auf Deckers Schulter. »Wenn es welche gibt, werden Sie sie auch finden.«
»Danke.« Er gab Sophi das Kind.
»Jetzt gucken Sie doch nicht so traurig, Sergeant. Sie ist in guten Händen.«
»Das weiß ich doch. Ms. Rawlings.«
Sophi lächelte. Obwohl beide keine förmlichen Menschen waren, gingen sie aus irgendeinem Grund immer förmlich miteinander um.
»Waren Sie mit ihr schon beim Arzt, Sergeant?« fragte Sophi.
»Nein.«
»Dann geh’ ich heut’ nachmittag mit ihr hin.«
»Persönlich?«
»Bei so kleinen Kindern mach’ ich das immer selbst.«
»Ich danke Ihnen, Ms. Rawlings«, sagte Decker. »Außerdem brauche ich noch eine Blutprobe.«
»Darf ich fragen, warum?«
»Als ich sie gefunden hab’, trug sie einen Pyjama, an dem Blut war. Soweit ich feststellen konnte, ist sie zwar weder verletzt noch mißbraucht worden, deshalb glaube ich auch nicht, daß das Blut von ihr stammt. Aber ich möchte sichergehen.«
»Oje.« Sophi zögerte. »Wessen Blut ist es?«
Decker zuckte die Achseln.
»Ihrer Mutter ist was zugestoßen.« Das war eine Feststellung, keine Frage.
»Vielleicht.«
»Oder dem Vater«, fügte Sophi hinzu. »Sie sollten auch nicht die Möglichkeit ausschließen, daß sie von ihrem Vater entführt wurde und der sie dann ausgesetzt hat, nachdem er gemerkt hatte, wieviel Arbeit Babys machen.«
»Gute Idee«, sagte Decker. »Das würde allerdings noch nicht das Blut erklären.«
Sophi sah auf das Kind und sagte: »Wir reden zu frei. In dem Alter verstehen sie schon eine ganze Menge.«
Decker nickte.
»Ich pass’ gut auf sie auf«, sagte Sophi.
Decker lächelte traurig und sagte dann: »Ms. Rawlings, sie hat etwas Ausschlag an den Armen. Würden Sie den Arzt bitten, sich das anzusehen?«
»Klar. Haben Sie ihr schon einen
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