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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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umbringen.«
    Rina stand auf und umarmte ihn. »Ich weiß. Lieber Gott, ich will ja nur ein bißchen Frieden für uns beide. Okay?«
    »Okay.«
    Decker zog seinen Teller wieder zu sich und begann, im Essen zu stochern.
    »Du mußt nichts essen, wenn dir nicht danach ist«, sagte Rina. »Ich bin nicht beleidigt.«
    »Nein.« Decker richtete sich auf. »Nein, ich werde essen und die Arbeit vergessen und Abel und daß ich ausgerastet bin. Ich will den Schabbes und dieses wunderbare Abendessen genießen, denn in einer Woche wirst du wieder fort sein, und dann ess’ ich wieder Salami und Crackers.« Decker nahm ein Rippenstück und langte kräftig zu. »Bon appétit.«
    »Bon appétit«, wiederholte Rina. Sie setzte sich wieder hin und nahm sich das andere Rippenstück.
    Sie saßen noch stundenlang zusammen, erzählten, sangen Sabbatlieder, lachten und aßen, bis von dem Fleisch nur noch die Knochen übrig waren.
     
    Das fünfte Gebot bestimmt den Sabbat als Ruhetag. Decker beschloß, diese Verpflichtung ganz wörtlich zu nehmen. Er verbrachte den Samstag nachmittag größtenteils im Bett, schlafend oder anderweitig beschäftigt, je nach Rinas Stimmung, und dachte weder an die Arbeit noch an Abel. Statt dessen konzentrierte er sich darauf, seinen gequälten Geist zu erneuern, und das gelang ihm auch mit einigem Erfolg. Zwischen ihm und Rina lief alles locker und liebevoll, ganz das verträumte Liebespaar. Am Samstag abend sahen sie sich ein furchtbares Stück im Music Center an, dann gönnten sie sich jeder einen riesigen Eisbecher. Am Sonntag morgen rief Decker die Jungen in New York an, um seine Grüße persönlich auszurichten. Dann packte Rina was zum Mittagessen ein, und sie machten einen dreistündigen Ritt. Am Sonntag abend fühlte Decker sich mit sich selbst im Einklang und hatte auch mit Rina ein gutes Gefühl. Seine entspannte Art hatte eine wunderbare Wirkung auf sie. Ihr Gesicht strahlte gute Laune aus.
    Aber Sonntag nacht schlief er unruhig und hatte schlimme Träume von Abel. Gott sei Dank keine Vietnamträume, aber Albträume waren es trotzdem – Abel, wie er eine Klippe hinunterfiel, im Ozean ertrank oder im Sand versank. Und Decker kam jedes Mal einige Sekunden zu spät.
    Am Montag stand er um fünf Uhr morgens auf. Er brauchte kein Freund zu sein, um zu wissen, was mit ihm los war. Um sechs rief er beim County Hospital an. Die Telefonzentrale war noch nicht besetzt, deshalb versuchte er es über eine spezielle Polizeileitung und erfuhr, daß Myra Steele sich immer noch im County befand – und zwar in der Frauenklinik.
    Er duschte, zog sich an und sagte seine Morgengebete in einer Rekordzeit von zwanzig Minuten. Bevor er ging, schüttelte er Rina sanft und sagte ihr, er müsse zur Arbeit, das Ersatzschlüsselbund läge auf dem Küchentisch. Sie könne den Jeep oder den Porsche nehmen. Rina gab ihm schlaftrunken einen Kuß und zog sich die Bettdecke über den Kopf.
    Die Sonne war gerade aufgegangen, ungünstig für ihn, weil er nach Osten fuhr. Grelles weißes Licht drang durch die Windschutzscheibe, und Decker begannen die Augen zu tränen. Er setzte seine Sonnenbrille auf und klappte die Sonnenblende im Auto herunter, während er über den Golden State Freeway raste. An der Brooklyn Avenue in Boyle Heights fuhr er ab.
    East Los Angeles – Hollenbeck Substation – war Deckers erste Stelle beim LAPD gewesen. Man hatte ihn dort hingeschickt, weil er damals einer der wenigen Weißen war, die fließend Spanisch sprachen. Nach seinen Erfahrungen mit den Kubanern in Miami fand Decker die Hispanics in Boyle Heights freundlich und entgegenkommend. Vor langer Zeit war dieses Viertel jüdisch gewesen, doch seit Decker in L. A. lebte waren die einzigen jüdischen Überreste ein paar dahinvegetierende Feinkostläden und die Breed Street Shul – eine Synagoge, die zwar immer noch sehr schön war, aber aus Mangel an Geld und Gläubigen langsam verfiel.
    Auf einem Hügel gelegen blickte das Los Angeles County Medical Center in den industriellen Sumpf von Downtown L. A., dessen auffälligstes Gebäude aussah wie eine dreistufige Hochzeitstorte aus verblichenem gelben Beton. Davor war ein asphaltierter Parkplatz. Decker kam über den Marengo Drive in den Klinikkomplex, fuhr an den Abteilungen für Psychiatrie und Pädiatrie vorbei und folgte dann der steilen Straße bis ganz nach oben. Die Anlage mit ihren Rasenflächen und schattigen Plätzen erinnerte mehr an einen Campus als an eine Klinik. In gewissem Sinne

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