Abschied von Eden
man einen guten Leitartikel im Journal of Balabustas schreiben.«
Decker lächelte.
»Ich beklage mich ja gar nicht«, fuhr Rina fort. »Es macht mir wirklich Spaß, den Schabbes vorzubereiten. In dieser Hinsicht bin ich ganz altmodisch. Aber ich kann es nicht leiden, mich eingesperrt zu fühlen. Die ganze Zeit hab’ ich auf deinen Anruf gewartet. Dann hab’ ich gedacht, das ist ja lächerlich. Ich hab’ zwei Jahre allein in der Jeschiwa gelebt und ein Jahr in New York. Ich fang’ doch nicht an, unselbständig zu werden, bloß weil du da bist.«
»Das ist keine Frage von Unselbständigkeit«, sagte Decker. »Ich hab’ dir gesagt, du sollst dich von ihm fernhalten.«
»Du hast nur gesagt, daß dir nicht wohl dabei ist, wenn er sich hier herumtreibt, wenn du nicht da bist. Das heißt ja nun nicht gleich, daß er tabu ist. Und ich hab’ mich auch nicht bei ihm herumgetrieben . Zwei Stunden lang hab’ ich ihn überhaupt nicht gesehen. Dann hab’ ich den Müll rausgebracht und festgestellt, daß es um fünf Uhr immer noch fast vierzig Grad war. Der Mann hatte Gott weiß wie viele Stunden ohne einen Schluck Wasser gearbeitet – falls er nicht aus dem Schlauch draußen getrunken hat. Du kannst mich totschlagen! Ich hatte Mitleid mit dem Mann, deinem früheren Freund, und hab’ ihm einen Krug Orangensaft rausgebracht. Ich hab’ mich sogar umgezogen, damit er nichts mißverstehen konnte. Weißt du, was passiert ist?«
»Was?«
»Ich hab’ ihn furchtbar erschreckt. Ich hab’ gesagt ›Abel?‹, und er machte einen Riesensatz. Er hatte sein Bein nicht an, vermutlich weil es so heiß war. Und als er versuchte aufzustehen, ist er auf den Hintern gefallen. Peter, sieh mich an. Er war so verlegen. Ich hab’ einfach den Krug und das Glas abgestellt und bin ins Haus gelaufen.«
Decker schwieg.
»Eine Stunde später bin ich zurückgegangen, um das Glas zu holen. Das war höchstens fünf Minuten, bevor du nach Hause kamst. Der Mann wurde knallrot, sobald er mich sah. Er hatte übrigens sein Bein wieder an. Ich wollte ihn beruhigen und hab’ ihm von diesem Typ erzählt, den ich bei der IDF gekannt hab’, der sein Bein verloren hat – beide Beine. Und von den Phantomschmerzen, die er hatte. Ich hab’ wohl immer weiter geplappert, bis ich dein Auto hörte. ›Wie schön, Peter ist zu Hause‹, hab’ ich gesagt, und dann bist du wie ein Wilder reingestürmt und hast herumgebrüllt. Was ist denn bloß in dich gefahren?«
Decker antwortete nicht.
Sie saßen eine Minute schweigend da.
Rina seufzte und sagte sich, sie sollte am besten die ganze Sache vergessen. Peter wirkte so mitgenommen und absolut unglücklich. Sie drückte seine Hand und sagte: »Bleib sitzen, Peter. Ich bedien’ uns.«
»Nein, ich hab’ doch gesagt, ich würde das tun.«
»Ich weiß. Ruh dich aus. Ich hatte sicher einen weniger anstrengenden Tag als du.«
»Danke, Rina.« Er schenkte ihr ein schwaches Lächeln.
»Die Jungen lassen grüßen«, rief sie aus der Küche.
Verdammt, dachte Decker. Er hatte vergessen, sie anzurufen. Er war mies zu Rina gewesen und mies zu Abel. Wahrscheinlich würde er ihren Söhnen auch ein miserabler Vater sein.
Rina kam mit einer dreigeteilten Platte herein – in der Mitte Kalbfleisch als Hauptgericht, auf einer Seite Kartoffeln mit Zwiebeln und Paprika und auf der anderen frischen Spargel mit Holländischer Sauce.
»Ich hab’ ihnen auch von dir viele Grüße bestellt«, sagte sie.
»Ich wollte sie eigentlich anrufen.«
»Das verstehen sie schon, Honey.«
Natürlich tun sie das . Decker legte sich ein großes Stück Fleisch auf den Teller. »Rina, ich hab’ etwas sehr Dummes gemacht. Als du mich nach Abel gefragt hast, hab’ ich dir nicht die ganze Wahrheit gesagt.«
Rina wartete auf mehr.
»Ich kenne Abel schon sehr lange«, sagte Decker. »Er ist verrückt und exzentrisch, aber ich hab’ nie erlebt, daß er irgendwie brutal geworden ist. Deshalb wollte ich ihn nicht verurteilen, bevor ein Geschworenengericht das getan hat. Aber eins hätte ich dir sagen sollen. Ich hab’ ihn vor ein paar Tagen gegen Kaution aus dem Gefängnis geholt. Er war wegen eines Sexualvergehens verhaftet worden – wegen Vergewaltigung.«
Rina klappte den Mund auf.
»Deshalb bin ich so ausgerastet, als ich ihn mit dir gesehen hab’«, sagte Decker.
Rina antwortete nicht, sondern starrte ihn nur an. Decker warf die Hände in die Luft.
»Na los, sag’s schon.«
Rina schwieg.
»Okay, dann sag’ ich’s«, sagte
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