Abschied von Eden
bevor sie erfährt, was los is.«
»Was würde denn passieren, wenn sie’s erfährt?« fragte Decker.
Myra machte ein ernstes Gesicht. »Mama is knallhart mit Sündern. Wie sie rausgekriegt hat, daß meine Schwester ’n bißchen kifft, da hat sie sie vielleicht verdroschen. Ich mein’, Mama is ’ne gute Frau, aber sie mag nich, wenn man ihr Schande macht. So …«
»Warum machen Sie denn nicht den High-School-Abschluß?« fragte Decker. »Warum machen Sie das, was Sie machen?«
Myra zuckte die Achseln. »Mein Typ gibt mir ’n Haus, was zu essen, Dope. Und ich hab’ viele Freundinnen im Gewerbe. Bin wohl ’n bißchen faul. Und mein Typ dreht leicht durch. Wenn ich jetzt abhau’, könnt’ er ’n bißchen brutal werden. Aber eines Tags mach’ ich Schluß. Such’ mir irgend ’nen alten Furz mit viel Knete. Bequatsch’ ihn, daß er mir ’nen Ring verpaßt. Der Trottel kann mich ruhig ficken, während ich ihn mit ’ner neunschwänzigen Katze peitsch’. Für mich wird er ’nen netten kleinen schwarzen Arsch anheuern, den ich hab’n kann, wann ich will. Hab’ ich alles geplant.«
»Solange Mama nicht in die Quere kommt.«
Myra antwortete nicht. Auch Decker schwieg eine Weile, um seine Gedanken zu ordnen. Dann sagte er: »Wenn Ihr Zuhälter Sie nicht geschlitzt hat, warum geben Sie uns dann nicht seinen Namen?«
»Mein Typ bleibt gern a-no-nym. Er sagt, Publicity macht blöd.«
»Ich würde trotzdem gern mit ihm reden«, sagte Decker.
»Yeah, das woll’n alle von der Sitte.« Myra lachte. »Da hab’n S’ schlechte Karten, Mister.«
»Sie sagen also, Ihr Zuhälter hat Sie nicht geschlitzt?«
»Er hat mich nich geschlitzt.«
»Wer denn dann?«
»Den habt ihr doch längst«, sagte Myra mit einem Aufschrei.
»Myra, es gibt einige handfeste Zweifel, daß der Mann, den wir festgenommen haben, tatsächlich der Mann ist, der Sie verletzt hat.« Decker betrachtete die Nutte abschätzend. Sie wirkte gequält. »Sein Anwalt ist der Meinung, der Mann hat mit Ihnen geschlafen, aber er hat Sie nicht verletzt …«
»Das is gelogen!«
»Wir wollen uns auf keine Urteilsabsprache einlassen, bis wir keine hieb- und stichfesten Beweise gegen ihn haben.«
»Er hat mich vergewaltigt!« rief Myra. »Das Arschloch, dieses Schwein hat mich vergewaltigt, mich geschlitzt und mich geschlagen …«
»Okay, okay«, sagte Decker, bemüht, sie zu beruhigen. »Ich glaube Ihnen. Aber ich brauche unbedingt den Namen von Ihrem Macker, um seine Unschuld zu beweisen. Bloß damit ich zum Staatsanwalt gehen und sagen kann: ›Hey, der Macker von dieser Frau hat wirklich nicht das Messer geschwungen. Es war keine Sache untereinander. Ziehen Sie den Fall weiter durch wie bisher.‹«
»Ich geb’ Ihnen den Namen nich«, sagte Myra.
»Ihr Macker hat Sie ganz schön unter der Knute, was?«
Myra schwieg.
»Ist er ein Santeria?« fragte Decker.
Die Hure wurde ganz starr.
»Ein Palo Mayombero«, sagte Decker. »Oder vielleicht hat er eine tía , die eine bruja ist. Sie wird Sie verhexen …«
»Hören Sie auf!«
»Sie glauben doch nicht etwa an diesen Scheiß?«
Myra antwortete nicht sofort. Schließlich sagte sie: »Meine Gesundheit is mir viel wert, Mann. Meine Gesundheit is mir viel wert.«
Decker betrachtete sie. Sie sah alles andere als gesund aus, doch diese Ironie entging ihr offenbar.
»Ich möchte Ihnen helfen, Myra«, sagte er. »Ich will nämlich sichergehen, daß der Kerl wirklich schuldig ist, dann brauchten wir keinen Prozeß, und wenn wir alle Trümpfe in der Hand haben, müßte er um eine Absprache betteln. Aber wenn Sie nicht mitspielen und uns den Namen von Ihrem Macker nicht geben, könnte der Pflichtverteidiger Wind davon kriegen, daß es noch einen anderen Verdächtigen gibt als seinen Klienten – nämlich Ihren Macker. Dann wird er auf einem Prozeß bestehen, und Mama wird alles erfahren.«
Myra brach ihre Papiernagelfeile durch. »Ihr Schweine, ihr seid alle Schweine. Euch is scheißegal, was passiert, solang ihr euren goldenen Stern kriegt. Und wenn ’s meine Mama erfährt, oder mein Typ? Was macht das schon? Wer schert sich auch nur ’nen Dreck um Myra – das Opfer!« Sie lachte bitter. »Ja, das bin ich. Ein verdammtes Opfer – und das gleich zweimal.«
Ihr Blick blieb hart, aber ihre Augen waren gleichzeitig feucht. Decker brauchte etwas Zeit zum Nachdenken. Er konzentrierte sich auf Abel und was sie gemeinsam durchgemacht hatten. Ja, er hatte Abel den Arsch gerettet. Aber Decker konnte
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