Abschied von Eden
spanische Villa hinter einer tausend Quadratmeter großen Rasenfläche. Normalerweise war das Hoftor abgeschlossen, aber das war kein Problem für Abel Atwater. Er hatte einen Schlüssel. Er starrte das Gebäude an, die Veranden, von denen sich Bougainvilleas in die Tiefe ergossen, die bogenförmigen Schiebefenster, die Buntglasscheiben, in denen sich das Sonnenlicht in tausend farbigen Fragmenten brach. Das Haus hätte durchaus für eine alte mexikanische Mission durchgehen können.
Er hielt seinen Werkzeugkasten umklammert, nahm ein Taschentuch aus der Vordertasche seines Overalls und wischte sich durchs Gesicht. Drinnen im Haus würde es kühl sein, selbst ohne Klimaanlage. So waren all diese spanischen Häuser angelegt – strukturierter Putz, der die Hitze abhielt, und viele Fenster für die Durchlüftung.
Dieses Haus hier blieb auch deshalb kühl, weil es im Schatten von einem Dutzend blaublättriger Eukalyptusbäume und China-Ulmen lag. Ausgewachsene Bäume, das beste an dem ganzen Grundstück. Ihn beeindruckte das mehr als die zwei Morgen Land hinter dem Haus mit dem künstlich angelegten Felsenpool und dem von Efeu umrankten Tennisplatz. Der hintere Teil des Grundstücks war zwar großartig, aber zurechtgestutzt, vom Menschen geformt statt von der Natur. Doch dieses Dutzend Bäume vor dem Haus … unbeschnitten, ungezähmt.
Abel fügte sich in das Unvermeidliche, schloß das Tor auf und drückte auf die Klingel, worauf ein wohl tönendes Glockenspiel erklang. Ein Dienstmädchen, das er noch nie gesehen hatte, öffnete die Tür. Sie war um die Vierzig, mollig, hatte eine breite Nase und mit Gold überkronte Vorderzähne. Lillian wollte keine jungen, hübschen Angestellten – aus offensichtlichen Gründen. Normalerweise beschäftigte Lil drei Hausangestellte gleichzeitig, die sie jedoch sooft wechselte wie die Farbe ihres Lippenstifts. An jeder fand sie immer irgendeine Kleinigkeit auszusetzen. Aber zumindest war sie nett zu ihnen, solange sie für sie arbeiteten.
»La señora está en su casa?« fragte Abel.
»Si. Quién es?« antwortete sie.
»Der Klempner«, sagte Abel auf Englisch.
Die großen dunklen Augen sahen Abel prüfend an. Daran war er gewöhnt. Er blieb teilnahmslos stehen und wartete wie ein Lohnarbeiter, als ob Zeit nicht Geld wäre.
»Un Momento«, sagte sie.
Die Tür schloß sich vor seiner Nase. Es war eine schöne Tür, reich verziert mit Schnitzereien, und der Lack fühlte sich so geschmeidig an wie ein Pelz. Er hatte bei der Restaurierung gute Arbeit geleistet. Eine halbe Minute später öffnete Lillian sein persönliches Werk erneut.
»Ich hab’ keinen Klempner …«
Lillian hielt inne, die Augen voller Panik.
»Hatten Sie kein Problem mit der Installation, Ma’am?« sagte Abel.
Ihre Augen schössen von Abel zu dem Dienstmädchen. In raschem Spanisch schickte sie es weg. Dann trat sie nach draußen und schloß die Tür.
Mit ihren achtundfünfzig Jahren führte Lillian Sandler einen aussichtslosen Kampf gegen das Alter. Abel hatte sie noch nie ohne Make-up gesehen, und es war ihm peinlich für sie, daß er sie so überrumpelt hatte. Jede einzelne Falte und jede schlaffe Stelle waren deutlich zu erkennen und schrien förmlich nach einem weiteren Lift. Ihre blauen Augen waren rot und triefig, die Nase geschwollen. Abel fragte sich, ob sie wieder trank. Sie trug einen weißen Jogginganzug und wirkte etwas fülliger, als er sie in Erinnerung hatte. Ihre Haare waren in ein Frotteetuch gewickelt.
»Deswegen hab’ ich vor fünf Monaten angerufen.« Ihre Stimme war leise und wütend. »Schließlich hab’ ich einen richtigen Klempner kommen lassen.«
»Also brauchen Sie meine Dienste nicht …«
»Hör mit dem Scheiß auf!« Lillian nahm eine Zigarette und ein goldenes Feuerzeug aus ihrem Jogginganzug. »Du siehst aus wie’n Haufen Scheiße.«
Abel hätte ihr das gleiche sagen können, tat es aber nicht.
Lillian zündete sich die Zigarette an und blies eine Rauchwolke in die Luft. »Da kommst du einfach fünf Monate später hier hereinspaziert und erwartest, daß ich dich mit offenen Armen empfange. Eine Woche lang hab’ ich Nachrichten auf deinem Anrufbeantworter hinterlassen. Hättest du denn nicht einmal das Scheißtelefon in die Hand nehmen und mich zurückrufen können?«
»Es tut mir leid.«
»Tut dir leid.« Sie rauchte und klopfte mit dem Fuß auf den Boden. »Das hab’ ich schon zu oft in meinem Leben gehört.«
»Willst du hier draußen bleiben und
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