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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Zigarette. »Es tut mir sehr leid. Natürlich hast du es nicht getan.«
    Abel wußte, sie wollte, daß er ihren Glauben an seine Unschuld bestätigte. Also tat er ihr den Gefallen. Dann sagte er: »Ein Bekannter von mir hat mir das Geld geliehen. Ich muß es ihm zurückzahlen. Ich werd’s bei dir abarbeiten – Klempnerarbeiten, Elektrizität, Gartenarbeiten, Swimmingpool saubermachen …«
    »Abel, bitte.«
    »Das spart dir viele Dollars. Sollte Sy doch gefallen.«
    »Sy gefällt nur, was sechzehn Jahre und jünger ist.« Sie brach unvermittelt in Tränen aus.
    Abel wartete eine Weile, dann sagte er: »Quält er dich wieder?«
    »Ach, Abel, es ist noch schlimmer als früher!«
    »Das tut mir leid.«
    Sie packte ihn. »Halt mich einfach fest.«
    »Solange du willst«, antwortete er und nahm sie in die Arme.
    Eine Minute später fragte Lillian: »Wann brauchst du das Geld?«
    »So bald wie möglich.«
    »Ich zieh’ mich nur schnell an.« Sie entzog sich seiner Umarmung. »Dann gehen wir zusammen zur Bank.«
    »Danke, Lillian.«
    Sie sah ihn an, streichelte ihm über die langen Haare und steckte sie unter sein Stirnband. »Warum hast du mich nicht gleich wegen dem Geld angerufen?«
    »Hätt’ ich besser tun sollen, Lil«, antwortete er. »Hätt’ ich besser tun sollen.«
     
    Decker saß mit sechs schwangeren Frauen im Wartezimmer. Jedes Mal, wenn die Schwester eine der Frauen ins Sprechzimmer rief, warf sie ein wachsames Auge auf Decker, ein Blick, der besagte, welche ist denn nun Ihre Frau?
    Eine Stunde später, als die Frauen eine nach der anderen hinausgegangen waren, kam die Schwester noch einmal ins Wartezimmer. Die Hände auf die fülligen Hüften gestützt sagte sie: »Sie sind ja immer noch da?«
    Decker wußte nie, wie man eine solche Frage beantworten sollte, ohne sich blöde anzuhören. Da ihm keine witzige Antwort einfiel, ging er gar nicht darauf ein. Statt dessen sagte er: »Ich möchte zu Dr. Meecham. Er hat gesagt, er könnte mich dazwischenschieben, sobald er mit seinen Patientinnen fertig ist.«
    »Wir hatten heute morgen einen Notfall«, sagte die Schwester. Einige braune Haarsträhnen hatten sich aus ihrem Knoten gelöst. Sie wirkte erschöpft. »So was schmeißt den ganzen Zeitplan durcheinander. Wie ist Ihr Name? Ich seh’ mal im Terminkalender nach.«
    »Ich steh’ nicht im Terminkalender«, sagte Decker. »Ich hab’ vor etwa einer Stunde angerufen. Detective Sergeant Decker vom LAPD.«
    »Ach, Sie sind der Polizist. Dann hätt’ ich Sie doch gleich reingebracht. Ich hab’ Sie für einen werdenden Vater gehalten. Sie hätten sich melden sollen.«
    »Und vor all diesen erschöpften schwangeren Frauen reingehen?« Decker lächelte. »Da wär’ ich gelyncht worden.«
    Die Schwester lachte – ein angenehmes Lachen. »Das ist gar nicht so ganz weit hergeholt. Kommen Sie mit. Ich bring’ Sie in Dr. Meechams Büro.«
    Im Grunde hatte Decker es sogar genossen, mal eine Stunde für sich zu haben. Er hatte sich einige Papiere mitgebracht, die Rabbi Schulman für ihn fotokopiert hatte – Abschnitte aus dem Talmud, in denen es um Kapitalverbrechen ging. Der Rosch-Jeschiwa hatte sich nicht nur die Mühe gemacht, das Aramäische des Talmuds zu übersetzen, sondern auch die Kommentare. Decker hatte um die Texte gebeten und sie dann über einen Monat liegengelassen. Natürlich würde ein so distinguierter Mann wie Rav Schulman nie etwas sagen, doch Decker wußte, daß der alte Mann darauf wartete, daß er auf das Thema zu sprechen kam. Wenn sich die Gelegenheit ergab …
    Decker schob die Papiere zusammengefaltet in seine Tasche, froh, daß er bereits die Hälfte des Materials geschafft hatte. Dann folgte er den wiegenden Hüften der Schwester.
    Dr. Meecham saß an seinem Schreibtisch und telefonierte. Er bedeutete Decker, sich zu setzen, und schickte die Schwester mit einer weiteren Handbewegung hinaus.
    Auf dem Schreibtisch herrschte Chaos – Stapel von Papieren, drei Styroporbecher, ein halb aufgegessenes Sandwich, ein überquellender Aschenbecher. Der ganze Raum wirkte wie ein Müllhaufen – eine kleine Zelle, die mit Gerümpel vollgestopft war. Und dieser Typ machte den ganzen Tag gynäkologische Untersuchungen? Er mußte sich mit den Frauen im Behandlungszimmer unterhalten.
    Der Arzt selbst machte einen guten Eindruck, der Typ älterer Mann, der auf jüngere Frauen beruhigend wirkt. Er schien um die Sechzig zu sein, hatte dichtes weißes Haar und einen ebenso weißen Schnurrbart. Sein

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