Abschied von Eden
Hälfte seiner lebensfähigen Spermien waren mißgebildet. Hatten gebogene Schwänze, so daß die Beweglichkeit eingeschränkt war. Die kleinen Kerle müssen in der Lage sein, zum Ei zu schwimmen. Es gab keinen anatomischen Grund für die geringe Anzahl – keine Varikozelen und keine ungewöhnlich hohe Hodentemperatur. Heiße Eier töten nämlich Spermien. Er gehörte einfach zu den Typen, die nicht viel Saft haben.«
»Und Linda?«
»Endometriose – ihre ganze Gebärmutter war vernarbt. Die Ursache dafür war nicht bekannt. Könnte bereits in der Kindheit passiert sein – eine Infektion, die sich als schlimme Magenschmerzen oder als Blinddarmentzündung geäußert hat. Eine dieser Sachen, die erst dann auffallen, wenn die Frau ein Baby möchte. Sie probiert es erst mal ein Jahr oder so, dann kommt ihr der Verdacht, daß irgendwas nicht stimmt. Wir machen die entsprechenden Tests, und plötzlich bricht für sie die Welt zusammen.«
»Aber Linda ist schwanger geworden trotz ihrer Endo … wie auch immer man das nennt«, sagte Decker.
»Allerdings. Die Frau hatte zu der Zeit nur noch einen funktionsfähigen Eileiter, und der war zu fünfundzwanzig Prozent verstopft, siebzig Prozent Narbengewebe an der Gebärmutter und dazu noch einen Mann, dessen Zeugungsfähigkeit stark eingeschränkt war. Gott ist eben ein besserer Arzt als ich.«
»Gestatten Sie folgende Frage«, sagte Decker. »Halten Sie es für möglich, daß Linda von einem anderen Mann schwanger geworden ist, einem zeugungsfähigeren Mann?«
»Beide hätten eine bessere Chance mit anderen Partnern gehabt. Dazu möchte ich Ihnen allerdings sagen, Sergeant, daß Linda bereits vorher mit Spermien befruchtet wurde, die nicht von ihrem Mann stammten.«
Decker zog die Augenbrauen hoch.
»Nein«, sagte Meecham. »Nicht, was Sie meinen. Luke wußte davon und war damit einverstanden. Man nennt das eine Cocktailmischung, und es ist heutzutage sehr verbreitet. Das Sperma des Ehemanns wird mit gesunden Spermien von körperlich passenden Spendern gemischt. Gewöhnlich kann man nur durch einen Bluttest absolute Sicherheit haben. Die Insemination ist eine teure und schmerzhafte Prozedur. Die Frau muß mit starken Krämpfen und Blutungen rechnen, der Mann fühlt sich entmenschlicht, seiner Männlichkeit beraubt. Sein Sperma ist nicht gut genug. Aber Linda – und Luke – waren bereit, den Versuch zu wagen. Doch es funktionierte nicht. Und das Sperma, was wir benutzt haben, war absolut in Ordnung.«
Meecham rauchte seine zweite Zigarette zu Ende. »Das haben wir gerade gemacht, als Linda die Sache abblies. Wir hatten das mit dem Cocktail etwa ein halbes dutzendmal probiert, als sie plötzlich sagte, es würde ihr endgültig reichen.«
»Hat sie gesagt, warum sie die Behandlung abbrechen wollte?«
»Eine ganze Palette von Gründen«, sagte Meecham. »Die körperlichen Schmerzen, der Streß, die Belastungen für die Ehe, die Kosten, die ganze Aussichtslosigkeit … Gott, ich habe mich so für die beiden gefreut, als Katie geboren wurde. Luke war allerdings bei der Geburt nicht dabei, dazu ist er nicht der Typ – für ihn ist Kinderkriegen reine Frauensache. Also mußte sie’s allein durchstehen. Und Katie war keine einfache Geburt. Linda war bereits achtunddreißig, und die Wehen dauerten sehr lange. Aber sie hat sich tapfer gehalten.«
»Wie ist Linda als Patientin zu Ihnen gekommen?« fragte Decker.
»Sie wurde von einem praktischen Arzt in Saugus an mich überwiesen. Der letzte einer aussterbenden Art. Er überweist mir all seine gynäkologischen Problemfälle, weil die Versicherung gegen Kunstfehler für ihn zu teuer ist.«
Meecham hielt einen Augenblick inne, offenbar um seine Gedanken zu ordnen.
»Linda wirkte auf mich etwas aufgeschlossener als die anderen Farmersfrauen, die ich bisher erlebt habe. Tat sich auch viel leichter mit dem Stadtleben. Ich weiß nicht, was sie für Erfahrungen im Leben gemacht hat, aber eins kann ich Ihnen sagen, sie wollte unbedingt ein Kind. Und nun … ist sie … o Gott, es tut mir ja so leid. Ich kann jetzt nicht weiter darüber reden. Es nimmt mich ungeheuer mit. Ich hatte diese Woche schon eine Totgeburt und einen Fall von Anenzephalie, also eine Fehlbildung mit Fehlen des Schädeldachs und Fehlen wesentlicher Teile des Gehirns. Ich kann jetzt keine weiteren schlimmen Nachrichten verkraften. Ich unterhalte mich gern später noch mal mit Ihnen, Sergeant. Aber jetzt möchte ich gern allein sein.«
Stanford Meecham litt
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