Abschied von Eden
Gesicht war lang und schmal, seine Haut zerfurcht und sonnengebräunt. Es war schwer zu sagen, wie groß er war, jedenfalls hatte er breite Schultern und einen kräftigen Nacken. Er trug einen sauberen weißen Kittel über einem weißen Hemd und eine marineblaue Krawatte. In der Kitteltasche steckte ein goldener Kugelschreiber, und auf der Krawatte prangte eine Nadel von Gucci.
Er hängte ein und sah Decker an. »Sie sind doch wohl hoffentlich der Polizist.«
Decker nickte.
»Ich weiß nicht, wie oft ich Joy schon gesagt hab’, sie soll keine Leute hier reinlassen«, sagte Meecham. »Dieser Raum könnte einen falschen Eindruck erwecken.«
Decker schwieg.
»Bei meiner Arbeit nehm’ ich es ganz genau mit der Hygiene«, sagte Meecham. Dann nahm er eine Zigarette und zündete sie an. »Aber in meiner eigenen Umgebung bin ich schon mal ein bißchen schlampig. Rauchen Sie? Sie sehen aus, als ob’s Ihnen scheißegal wäre, was der Gesundheitsminister sagt.«
Decker nahm eine Zigarette, damit Meecham sich entspannter fühlte. Beide pafften einen Augenblick vor sich hin, bis Meecham schließlich fragte: »Was kann ich für Sie tun?«
»Es geht um Linda und Luke Darcy.«
»Yeah? Was ist mit ihnen?«
»Sie haben Sie doch wegen Fruchtbarkeitsproblemen konsultiert«, improvisierte Decker. »Was können Sie mir darüber sagen?«
»Vertraulich«, Meecham zuckte die Achseln. »Tut mir leid.«
»Dann wissen Sie es also noch nicht.«
»Was?«
»Sie sind tot.«
Meecham fiel die Zigarette aus dem Mund. Er drückte sie rasch aus.
»Kann ich jetzt ihre Unterlagen sehen?« fragte Decker.
»Soll das ein Scherz sein?«
Decker beantwortete die Frage, indem er seine Dienstmarke hervorzog, um Meecham zu beweisen, daß er echt war. Etwa eine Minute lang schwiegen beide.
Schließlich sagte Meecham: »Aufgrund Ihres Besuchs darf ich wohl annehmen, daß die beiden nicht bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind?«
»Ermordet.«
»O Gott.« Meecham öffnete eine Schreibtischschublade, nahm ein Röhrchen Tabletten heraus und schluckte eine trocken herunter. »Sagen Sie mir doch bitte eines, was ist mit dem Kind?«
»Katie geht es gut.«
»Man muß dem Herrgott auch für kleine Dinge dankbar sein.« Meecham war ganz grün im Gesicht geworden. »Sie wissen ja nicht, wie sehr die beiden sich ein Baby gewünscht haben – besonders Linda. Luke wollte es zwar auch, aber bei Fruchtbarkeitsgeschichten ist es meistens die Frau, die den Mann hierher bringt. Gott, daß sie nach all den Jahren einfach so schwanger geworden ist. Und jetzt sind sie tot. Das ist wirklich furchtbar!«
Decker wartete, bis er sich ein wenig beruhigt hatte, und sah zu, wie er sich eine weitere Zigarette anzündete und rauchte. Dann nahm er sein Notizbuch heraus und fragte: »Wie lange haben Sie Linda wegen Unfruchtbarkeit behandelt?«
»Jahre«, sagte Meecham. »Acht Jahre, zehn Jahre. Ich hab’ sie beide behandelt. Teure Invasionsverfahren. Aber sie war fest entschlossen. Beide waren sehr entgegenkommende, unproblematische Patienten. Bloß daß alles, was wir für sie getan haben, nicht funktioniert hat, verdammt noch mal.
Solche Probleme können eine Ehe wirklich belasten, Sergeant. Der Sex wird mechanisch, die Frau denkt nur noch an ihren Eisprung und die Temperatur ihrer Vagina, so daß der Mann das Gefühl bekommt, er ist nichts weiter als ein Reservoir für Sperma. Aber die beiden haben tapfer durchgehalten. Gemeinsam. Dann hat Linda vor vier Jahren schließlich aufgegeben.« Meecham warf die Hände in die Luft. »Rief mich eines Tages an und sagte ›Stan, ich kann es nicht mehr aushalten.‹ Ich habe lange mit ihr gesprochen, die meiste Zeit konnte ich allerdings nur zuhören, wie sie weinte. Ich habe ihr gesagt, sie sollte eine Pause machen, es in ein oder zwei Jahren noch mal versuchen. Und dann, peng, ein Jahr später ist sie schwanger. Stellen Sie sich das mal vor.«
»Dann war sie also nicht mehr bei Ihnen in Behandlung, als sie schwanger wurde?« fragte Decker.
»Nein. Sie war zwar immer noch meine Patientin, aber ich habe sie nicht mehr wegen Unfruchtbarkeit behandelt.«
»Sie hat also die Behandlung vor etwa vier Jahren abgebrochen.«
»So in etwa«, sagte Meecham.
Zur gleichen Zeit, als sie ihre Affäre mit Byron Howard hatte, dachte Decker. »Sie waren überrascht, als sie schwanger wurde?« fragte er.
»Völlig sprachlos.«
»Was ist mit Luke?« fragte Decker. »Was genau war sein Problem?«
»Zu wenig Spermien, und etwa die
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