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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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überlegte, wie er ihr sagen sollte, was ihn bedrückte. »Weißt du, als junger Mann hab’ ich manchmal etwas unüberlegt gehandelt.«
    Rina schwieg.
    »Selbst unsere Vorväter waren dagegen nicht immun«, fuhr Decker fort. »In den Kommentaren steht, daß Josua Rahab, die Dirne, geheiratet …«
    »O Peter, jetzt komm mir nicht mit der Bibel. Du brauchst nicht zu rechtfertigen, was du getan hast.« Sie lachte erneut. »Du meinst, ich war nicht die erste?«
    »Ich sag’s dir ja nur ungern, Kleines.«
    »Und ich hab’ die ganze Zeit geglaubt, Cindy wäre jungfräulich gezeugt worden.«
    »Sie wurde genauso gezeugt wie deine beiden Söhne«, sagte Decker.
    Rina lächelte und senkte den Kopf. Plötzlich schienen ihre Augen in die Ferne zu schweifen.
    Decker kannte diesen Blick – süße Erinnerungen an ihren verstorbenen Mann und er beunruhigte ihn. Als er das erste Mal mit Rina geschlafen hatte, war sie extrem schüchtern gewesen. Decker hatte gewußt, daß das zum Teil aus Schamgefühl war, hatte aber irrtümlich angenommen, daß es teilweise auch an ihrer Unschuld lag. Doch nachdem sie einige Male miteinander geschlafen hatten, wurde Decker schmerzlich bewußt, daß er ihr keine neuen Finessen beibringen konnte. Plötzlich hatten sich die Rollen verkehrt, und nun war sie diejenige, die das Liebesspiel virtuos beherrschte. Sie hatte nur ein bißchen Übung gebraucht, um ihre Fingerfertigkeit wiederzuerlangen. Tatsächlich rangierte Rina für Decker unter seinen besten, ein Ehrenplatz, den sie mit so denkwürdigen Persönlichkeiten wie einem Callgirl in Las Vegas und einer fünfundzwanzigjährigen Nymphomanin namens Candy teilte, die er mal wegen öffentlicher Aufforderung zur Unzucht festgenommen hatte.
    Rinas Erfahrenheit beunruhigte ihn wirklich.
    Das stellte auch ihren verstorbenen Mann Yitzchak in ein völlig anderes Licht. Bevor er mit Rina geschlafen hatte, hatte Decker immer angenommen, der freundliche Talmudgelehrte hätte ein langweiliges und sittsames Leben geführt. Jetzt mußte sich Decker über die zwiespältige Persönlichkeit dieses Mannes wundern. Ein jüdischer Superman – tagsüber ein eifriger Bocher und nachts ein Sexprotz.
    Rina kannte sich eindeutig mit dem Körper eines Mannes aus. Und Decker wußte, daß es nur einen Mann in ihrem Leben gegeben hatte. Er hätte brennend gern gefragt, wie Yitzchak so gewesen war, wußte jedoch, daß es ihm im Grunde nur um eine Bestätigung seines Egos ging.
    Unaufgefordert hatte sie Decker erklärt, er sei wunderbar. Aber sie fand alles, was er machte, wunderbar. Decker hoffte, daß seine Liebeskünste besser waren als seine Tischlerarbeiten.
    Rina hatte immer noch diesen entrückten Blick in den Augen. Jetzt reichte es Decker. Er fragte: »Willst du mitkommen?«
    »Huch?«
    »Huhu, aufwachen!« Er wedelte mit seiner Hand vor ihren Augen. »Willst du mit uns in den Park kommen? Ist zwar kein sehr verlockendes Angebot, aber sicher besser als Kartoffeln schälen.«
    »Klar. Warum nicht?«
    Abel brauchte weniger Zeit für das Pferd als Decker für sein Gespräch mit Rina. Zwanzig Minuten später sah Abel Decker und Rina aus dem Haus kommen. Er trug zwei Sechserpacks Bier, sie hielt die Autoschlüssel in der Hand. Ihre Haare hatte sie unter ein Tuch gesteckt, doch ihr Gesicht war strahlend wie immer. Sie blieb vor Abel stehen und setzte eine verärgerte Miene auf. Nur so konnte sie verhindern, daß sie laut loslachte.
    »Ich komme aus zwei Gründen mit«, sagte Rina.
    »Und die wären, Ma’am?« fragte Abel.
    »Erstens, weil Peter Bier trinken will, und ich möchte nicht, daß er Auto fährt, wenn er was getrunken hat.«
    »Das ist klar«, sagte Abel. »Und was ist der zweite Grund, Ma’am?«
    »Peter hat mir gerade erst Mund-zu-Mund-Beatmung beigebracht«, sagte Rina. »Das heißt, ich bin noch ganz unerfahren, also stellt bitte mein Können nicht auf die Probe.«
    »Nein, Ma’am«, sagte Abel. Doch er konnte nur noch daran denken, wie ihre Lippen an seinen klebten und ihr Atem seine Lunge füllten. Diese Vorstellung setzte ihm ganz schön zu.

22
    Mit gerunzelter Stirn öffnete Decker den Briefumschlag. Letzte Woche Freitag hatte er sämtliche Kreditkartenbelege von Linda Darcy angefordert. VISA hatte als erste geantwortet und ihm Fotokopien geschickt, die von einem Mikrofilm gemacht worden waren. Der Druck war klein und verschmiert, und Decker wußte, daß er den ganzen Vormittag brauchen würde, um die Liste durchzugehen. Er nahm ein

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