Abschied von Eden
Decker. »Ich könnte auch in einer Stunde wiederkommen.«
»Spinn deine Theorie weiter«, sagte Marge. »Sie gefällt mir.«
»Ich hab’ den Faden verloren.«
»Wir waren dabei, daß Luke keine künstlichen Befruchtungen mehr zahlen wollte.«
»Yeah, richtig«, sagte Decker. »Also, Luke sagt, keine weiteren Behandlungen, aber Linda will unbedingt ein Kind. Von mir aus fick doch, wen du willst, erklärt er ihr. Warum sollte er für das Sperma von anderen Männern bezahlen, wenn sie’s literweise umsonst kriegen kann?«
»Aber warum sollte er sie dann eine Hure nennen?« wandte Marge ein.
»Vielleicht hat er nicht erwartet, daß sie sein Angebot wirklich in die Tat umsetzen würde. Und als sie’s dann tatsächlich gemacht hat, hat er so lange darüber gegrübelt, bis er schließlich ausgerastet ist.«
»Und dann hat er angefangen zu toben, und sie auch.«
»Dann fing Linda an zu weinen«, fuhr Decker fort, »und das hat Earl von seinem Salamisandwich abgelenkt. Er sah nach, was los war, und holte seine Schrotflinte. Aber irgendwas ist passiert, bevor Earl jemanden umnieten konnte. Irgendwer hat erst Luke erschossen.«
»Linda«, sagte Marge erregt. Ihr dröhnte der Kopf. Dann fügte sie mit leiserer Stimme hinzu: »Muß so gewesen sein.«
»Warum? Bloß weil Luke sie eine Hure genannt hat?«
»Nope. Erinnerst du dich an Earls Bemerkung, Luke hätte gesagt, Linda hätte kein Recht auf Katie?«
»Aber es ist doch genau umgekehrt«, sagte Decker.
»Laß mich ausreden«, sagte Marge. »Als du da bei Earl nachgehakt hast, hat er gesagt, Linda hätte kein Recht auf Katie, weil sie eine Hure wär’. Nehmen wir mal an, Luke hat Linda gedroht, ihr wegen ihrer Affären Katie wegzunehmen?«
»Aber es war doch noch nicht mal sein Kind.«
»Das bedeutet aber nicht, daß Luke in seiner Wut nicht gedroht haben könnte, sie bloßzustellen.«
»Stimmt.«
»Was glaubst du, wie weit Linda gegangen wäre, um ihr Kind zu behalten?« fragte Marge.
Decker hob eine Hand, formte mit den Fingern eine Pistole und ließ den Daumen vorschnellen.
»Das glaube ich auch«, sagte Marge, »Jetzt nehmen wir mal an, Earl hat gesehen, wie Linda seinen Bruder umbrachte. Vielleicht wurde er da so wütend, daß er sie dann erschossen hat.«
»Schon möglich, aber …«, Decker zögerte, »aber stell dir mal folgendes vor. Mal angenommen, Lindas Losballern hat alle völlig überrascht, einschließlich Rolland Mason. Mal angenommen, er ging auf sie los – hat sie verflucht. Earl hat ja gesagt, er hätte Linda zum Weinen gebracht. Mal angenommen, Earl kam in dem Moment rein, und Rolland fing an, auch ihn zu beschimpfen – nannte ihn einen Bekloppten, einen f-Wort-Geistesbehinderten. Stell dir das Ganze mal aus Earls Sicht vor. Er sieht Luke zusammengesunken auf dem Boden, Linda weint, und Rolland tobt. Es ist durchaus denkbar, daß Earl ausgeflippt ist und Rolland umgelegt hat.«
»Und dann hat Earl Luke dort liegen sehen und geglaubt, er hätte auch ihn umgebracht«, sagte Marge.
»Ja.«
»Das erklärt natürlich nicht, warum Earl Linda und seine eigene Schwester ermorden sollte.«
»Zwei Möglichkeiten drängen sich einem auf, wenn das erste Szenario stimmt«, sagte Decker. »Entweder Earl ist völlig durchgedreht und hat die beiden Frauen ebenfalls umgebracht. Oder jemand anders hat die Frauen erledigt und auch Luke erschossen und hat dann Earl einzureden versucht, er hätte das alles getan. Ich nehme an, daß nur drei Personen eine solche Macht über Earl hätten – seine Mutter, sein Vater und Sue Beth.«
»Also ist die große Frage, wer war wirklich da, als das Ganze passierte?«
»Einer der blutigen Schuhabdrücke, die wir gefunden haben, entspricht Earls Größe – achteinhalb, Herrengröße. Die anderen beiden waren Damenschuhe Größe sieben – die Schuhgröße von Carla, Sue Beth und Granny D. Linda hatte kleinere Füße. Könnte zwar sein, daß Carla hin und her gelaufen ist und um Hilfe gerufen hat, aber ich möchte wetten, daß dieser Schuhabdruck von Sue Beth oder der alten Granny stammt.«
»Wir haben nie den passenden Schuh zu dem Abdruck gefunden?« fragte Marge.
»Nein.«
»Wer war also alles da?«
»Nun ja, Sue Beth ist mit ihrer Familie nach Fall Springs gefahren«, sagte Decker. »Das wissen wir genau. Die Kellnerin kann bestätigen, daß sie in dem Restaurant Halt gemacht haben. Aber das entlastet Sue Beth immer noch nicht, was den Mord betrifft.«
»Ich muß gerade daran denken, wie ich das erste
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