Abschied von Eden
nicht, was er tut.«
»Juristisch macht das im Augenblick keinen Unterschied, ich werde dafür sorgen, daß er sicher untergebracht wird, bis Sie die Kaution hinterlegen können …«
»Sie können ihn nicht ins Gefängnis stecken!« Sue Beth klang völlig entsetzt. »Das können Sie doch nicht machen. Ich sorge dafür, daß er nicht wegläuft.«
»Tut mir leid, Sue Beth«, sagte Decker, »aber so schreibt es das Gesetz vor. Schließlich haben wir es hier mit vierfachem Mord …«
»Aber der Junge weiß doch nicht, was er getan hat!«
»Wir müssen ihn nach Van Nuys bringen und ihn dort inhaftieren. Hier nehmen wir keine Mordfälle auf.«
»Er stirbt im Gefängnis!«
»Nein, er wird nicht sterben.«
»Aber … aber …« Sue Beth atmete erregt. »Er lügt, Mr. Policeman. Was er erzählt hat, waren alles Lügen …«
»Tut mir leid, Sue Beth. Dazu ist es jetzt zu spät. Vielleicht möchten Sie ja mit Ihrem Anwalt reden. Er kann Ihnen erklären, wie das Verfahren läuft und wie man am schnellsten Kaution hinterlegen kann.«
»Sie können uns doch nicht einfach so hängenlassen!« rief Sue Beth.
»Reden Sie mit Ihrem Anwalt, Sue Beth«, sagte Decker. »Er ist auf Ihrer Seite.«
»Das liegt ganz bei Ihnen, Mrs. Litton«, sagte Nixon. »Ich muß nicht hierbleiben.«
»Übrigens, Sue Beth«, sagte Decker, »sind Sie sicher, daß Sie Ihre Mutter zusammen mit Ihrem Vater gesehen haben, als Sie nach Fall Springs kamen?«
Sue Beth antwortete nicht. Decker wiederholte die Frage. Dann sagte sie ganz langsam: »Ich hab’ meine Mama nicht gesehen, aber das heißt ja nicht, daß sie nicht da war.«
»Es heißt aber auch nicht, daß sie da war«, sagte Decker.
»Ich mein’ ja nur, daß ich mich nicht erinnern kann, ob ich sie sofort gesehen hab’.«
»Wann haben Sie sie gesehen?« fragte Decker.
Sue Beth schwieg einen Augenblick. Dann sah sie Nixon an und fragte ihn mit stockender Stimme: »Muß ich noch weitere Fragen beantworten?«
»Nein, Ma’am, das müssen Sie nicht«, sagte Nixon.
»Mein Anwalt sagt, ich brauch’ keine weiteren Fragen zu beantworten«, erklärte Sue Beth Decker.
»Das stimmt«, sagte Decker.
»Dann tu’ ich das auch nicht.«
25
Decker schaltete den tragbaren Kassettenrecorder aus, der zwischen einem Plastikkrug mit Wasser und dem Rufknopf für die Schwester auf dem Krankenhausnachttisch stand. Bring das verdammte Band mit dem Geständnis mit, wenn du kommst, oder komm überhaupt nicht, hatte Marge ihm von Hollander ausrichten lassen. Und Decker wollte schon aus Prinzip keine Rekonvaleszentin aufregen.
Obwohl Marge käsebleich und ihr Kopf immer noch mit einem kilometerlangen Verband umwickelt war, sah sie besser aus. Ihre Augen waren zwar weiterhin rot und geschwollen, aber zumindest blickten sie geradeaus und wirkten wach. Statt des entwürdigenden Krankenhaushemdes trug sie ihr eigenes Frottiergewebe – hellrosa mit weißen, flauschigen Punkten.
»Na, meine Schöne«, sagte Decker, »was hältst du davon?«
Marge hatte viele Ideen, aber sie brauchte eine Weile, bis sie sie in Worte fassen konnte. Sie hing zwar nicht mehr an den Monitoren, und auch die Schläuche waren entfernt worden, doch das Trauma und die Nachwirkungen des Demerol verlangsamten ihren Verstand. Es kostete sie einige Anstrengung nachzudenken und noch mehr Energie zu sprechen. Als sie dann schließlich sprach, spürte sie, wie ihre Stimme im Kopf widerhallte.
»Ich glaube«, sagte sie ganz langsam, »daß das nicht alles kompletter Blödsinn ist.«
»Das glaub’ ich auch.«
»Aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß Earl Linda umgebracht hat.«
»Ich auch nicht.«
»Die anderen …« Sie zuckte mit den Achseln. »Eine Sache geht mir immer wieder in meinem kaputten Gehirn herum.«
»Was denn?«
»Earl sagt, er hätte sie alle mit einer Schrotflinte weggepustet. Und er erwähnt die kleine Waffe – das muß der Smith and Wesson sein. Aber Earl spricht nie davon, daß er die Handfeuerwaffe benutzt hat. Und er wußte nicht, wem sie gehört.«
»Tja, wo kam der 38er her?« sagte Decker. »Das ist für mich auch ein großes Fragezeichen. Weißt du, was noch merkwürdig ist? Der Junge schien nicht zu wissen, wen er als erstes umgebracht hat. Er sagte zwar immer wieder Rolland Mason. Aber so, wie er redete, hatte ich eher den Eindruck, daß er Luke als erstes umgenietet hat. Er kam nämlich immer wieder darauf zurück, wie er Luke umgebracht hat.«
»Yeah, und wir wissen doch, daß Luke
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