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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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säßest du nicht nur ohne Paddel mitten in der Scheiße, du hättest noch nicht mal ein Boot.« Er richtete den Revolver auf ihre Schläfe.
    Rina sah die Gesichter ihrer Söhne vor sich. »Ich habe Kinder«, flüsterte sie.
    »Wenn ich ein Mörder wäre«, sagte Abel, »würd’ ich jetzt so was sagen wie … an die hättest du eine Sekunde früher denken sollen.« Er fuhr mit dem kurzen Lauf an ihrem Kinn entlang. Mit der freien Hand zog er ihr das Tuch vom Kopf und löste ihr Haar. »Sie sind eine sehr schöne Frau, wissen Sie das?«
    Rina antwortete nicht. Ihre Söhne. Waisen. Peter hätte keine Chance, sie zu bekommen … Ihre Eltern würden um die Kinder kämpfen … Mein Gott, wenn nicht ihr, dann ihnen zuliebe. Sie begann lautlos das Schema vor sich hin zu beten.
    Abel fuhr mit der Waffe nah über ihr Gesicht, bis die Mündung ihre Stirn berührte. Nach einem kurzen Augenblick ließ er den Revolver dann um seinen Finger rotieren, bis die Mündung schließlich nach unten zeigte. In dieser Stellung verharrte er eine Sekunde, zwei Sekunden, drei und vier, bis Rina endlich merkte, daß er ihr die Waffe zurückgeben wollte. Langsam hob sie die Hand, bis ihre Fingerspitzen die Trommel berührten. Dann gaben ihre Füße nach. Sie rutschte langsam mit dem Rücken die Wand hinunter, und als sie schließlich auf dem Boden landete, fing sie zu weinen an. Abel setzte sich neben sie, öffnete ihre Handtasche und tat die Waffe hinein.
    »Sie sollten keine Waffe mit sich herumtragen, wenn Sie nicht bereit sind, sie auch zu benutzen, Rina«, sagte Abel. »Es ist einfach, auf eine Scheibe zu schießen oder auch ein paar Schüsse auf jemanden abzugeben, der nachts im Wald flieht …«
    Fliehen. Peter mußte ihm erzählt haben, wie sie versucht hatte, auf den Vergewaltiger zu schießen. Weshalb mochte er das getan haben? Um Abel zu warnen? Dann hatte es allerdings nichts genutzt. Sie haßte Peter dafür, daß er diesen Perversling in ihr beider Leben gebracht hatte.
    »Yeah«, fuhr Abel fort, »es ist leicht, auf jemanden zu schießen, wenn man ihm nicht in die Augen sehen muß. Das können nicht viele Leute. Aber einige schon. Zum Beispiel Ihr zukünftiger Mann. Doch Sie können es offensichtlich nicht.«
    Rina brachte keine Antwort heraus. Sie zitterte zu heftig.
    »Tun Sie sich selbst einen Gefallen«, sagte Abel. »Trennen Sie sich von der Waffe.«
    »Sie haben das also nur getan … um mir eine Lektion zu erteilen?« flüsterte Rina.
    Abel antwortete nicht, sondern starrte einfach nur vor sich hin. Eine ganze Weile lang schwiegen sie. Rina spürte, wie ihre Kräfte zurückkehrten. Wut erstickte die Angst, die sie gelähmt hatte. Als sie schließlich sprach, war ihre Stimme voller Haß. »Sie sadistisches Schwein!«
    Abel wandte ihr das Gesicht zu und lächelte. Doch seine Augen wirkten verstört. »Sie haben immer noch den Revolver, Rina. Vielleicht möchten Sie ihn ja jetzt benutzen?«
    »Sie wollten, daß ich Sie umbringe!« rief Rina aufgebracht.
    »Nein«, sagte Abel. »Ich wollte nicht, daß Sie mich umbringen. Wirklich nicht. Aber es wär’ mir auch egal gewesen, wenn Sie’s getan hätten.« Er nahm eine Zigarette aus seiner Tasche und zündete sie an. »In die Amputiertenstation im Veteranenkrankenhaus haben wir häufig Waffen hineingeschmuggelt und russisches Roulett gespielt. Man munkelt sogar, einige Leute hätten selbst in Vietnam Roulett gespielt. Wie in dem Film Deer Hunter …«
    »Ich gehe nicht ins Kino«, sagte Rina. Dann fragte sie sich, warum in aller Welt sie diesem Widerling überhaupt antwortete. Sie sollte lieber aufspringen und weglaufen. Aber die Angst saß ihr noch in den Knochen und hielt sie am Boden fest.
    »Nun ja, in Vietnam hab’ ich nie gesehen, wie Soldaten mit dem Revolver Roulett spielten«, fuhr Abel fort. »Peter hat’s auch nicht gemacht. Aber ich, im Krankenhaus. Einige Kerle haben sich dabei das Gehirn weggepustet. Es war allerdings keine große Sache. Das Personal hat’s auf die Mutlosigkeit geschoben und als Selbstmord verbucht, ausgelöst durch Depressionen.«
    »Aber es war Selbstmord. Es …« Rina hielt inne.
    Abel wartete, ob noch was kommen würde, und als das nicht geschah, sagte er: »Yeah, aus heutiger Sicht war’s das wohl.« Er zog an seiner Zigarette. »Aber damals hab’ ich’s nicht so gesehen. Es war bloß was, das man tat, um überhaupt was zu empfinden. Nichts weiter. Man verliert ein Bein, einen Arm …« Eine Geliebte, dachte er. »Man verliert etwas, das

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