Abschied von Eden
es! Sag es, verdammt noch mal, sag es!«
Decker stieß ihn nach hinten. Abel geriet ins Stolpern, konnte sich aber an einen Stuhl klammern und behielt so das Gleichgewicht.
Decker packte ihn an den Schultern, zog ihn zu sich heran und sagte: »Sie war eine Vietcong, du Idiot! VC! Charlie! Der Feind! Die, die versucht haben, dir die Eier wegzupusten, sich aber mit deinem Bein begnügen mußten!«
»Ich wußte, daß sie eine Vietcong war«, flüsterte Abel.
»Du wußtest, daß sie eine Vietcong war?«
»Sie hat’s mir gesagt.«
Decker spürte, wie sein Herz anfing zu hämmern. »Du wußtest, daß sie eine Vietcong war, und du bist trotzdem mit ihr gegangen?«
»Ihr Mann hat sie betrogen …«
»Du wußtest, daß sie verheiratet war?« brüllte Decker. Er stieß Abel vehement von sich und begann auf und ab zu gehen. »Du hast eine Beziehung zu einer verheirateten Frau angefangen, von der du wußtest, daß sie zum Feind gehörte. Ich kann es nicht fassen … Du hast also mit dem Feind gespielt, weißt du, was ich dazu nur sagen kann? Du hast bekommen, was du verdient hast!«
»Willst du rumtoben oder willst du mir zuhören?« fragte Abel.
Decker packte ihn erneut an den Schultern, und diesmal schüttelte er ihn auch noch. »Ich würd’ dir am liebsten deinen verdammten Hals brechen für das, was du Rina angetan hast! Wenn du mit mir in Hühnchen zu rupfen hast, dann laß es gefälligst nicht an ihr aus!«
»Du hast ja recht …«
»Verdammter Idiot!« Er stieß Abel weg.
»Ich bin halt ausgerastet!« sagte Abel. »Mann, ich bin einfach … ausgerastet. Ich hab’ Rina gesehen, und sie erinnerte mich an Song …«
»Wag es ja nicht, Rina und dieses Stück Scheiße in einem Atemzug zu erwähnen!«
Abels Augen verengten sich. »Nenn Song niemals mehr ein Stück Scheiße. Ich wußte, daß sie eine Vietcong war, und ich wußte, daß ihr Mann auch beim Vietcong war. Und ich wußte außerdem, daß das Schwein sie geschlagen hat, daß sie für ihn in Hanoi auf den Strich gehen mußte, und daß er sie dann nach Süden gebracht hat – als Köder für uns GIs.«
»Und du hast nie ein Wort zu mir oder zu sonst jemand gesagt.«
»Ich hab’ sie geliebt, Decker! Und sie hat mich geliebt! Glaubst du, sie hat mir nur aus Jux gestanden, was los war? Sie hat mir vertraut. Die hätten sie umgebracht, wenn sie’s erfahren hätten, daß ihr Mann beim Vietcong war.«
»Sie war eine Vietcong!«
»Sie war sechzehn Jahre alt, um Himmels willen! Verwaist! Hatte keine Ahnung, was da ablief, hat nur getan, was man ihr sagte. Mann, sie hat niemanden umgebracht. Und sie wollte auch mich nicht umbringen. Ihr Mann hat das angezettelt. Er ist uns auf die Schliche gekommen …«
»Blödsinn!« fiel Decker ihm ins Wort. »Du bist ein Idiot! Wenn die kleine Song doch so unschuldig war, warum saß sie dann nicht bei dir im Jeep, als er in die Luft flog? Hast du dich das jemals gefragt?«
»Sie ist noch mal zurückgegangen, um eine Kette zu holen, die ich ihr geschenkt hatte.«
»Du willst es einfach nicht begreifen. Das ist die typische Masche von denen, Atwater. Sie sagen: ›Laß uns ein bißchen rausfahren, Honey, und im Dschungel bums-bums machen.‹ Und sobald man dann im Auto sitzt, sagt die Kleine: ›Huch, ich hab’ was vergessen. Ich bin gleich wieder da.‹ Eine Sekunde später bist du Hackfleisch.«
»Nein, du begreifst es nicht«, antwortete Abel. »Als Stiller sie anschleppte, trug sie meine Kette, Decker. Du meinst doch nicht etwa, daß sie zurück in die Hütte gegangen ist, meine Kette umgelegt hat und wieder nach draußen gekommen ist, um zuzusehen, wie ich in die Luft fliege?« Er hatte Tränen in den Augen. Seine Stimme versagte. »Hast du denn nicht das Entsetzen in ihrem Gesicht gesehen?«
»Das war Angst, Mann!«
»Du hast ihr eine Waffe an den Kopf gehalten!« schrie Abel. »Was sollte sie da sonst empfinden.«
»Was? Du willst, daß ich mich dafür entschuldige, daß ich sie abgeknallt habe! Leck mich doch am Arsch! Ich würde es jederzeit wieder tun, denn wenn ich’s nicht getan hätte, hätte ein neuer Dummkopf dran glauben müssen. Und ich kann dir sagen, wir hatten schon genug Leute verloren. Davon hab’ ich mehr mitgekriegt als du, weil ich der Trottel war, der immer gerufen wurde, um den Schaden zu reparieren.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen, doch die Brüllerei schien noch in der Luft zu hängen. Abel machte Anstalten zu sprechen, doch dann überlegte er es sich anders. Statt dessen
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