Abschied von Eden
Teil von einem war, und man ist wie betäubt. Und ich war noch nicht mal am schlimmsten dran. Zumindest war ich immer noch ein Mann, wenn Sie wissen, was ich meine. Andere …« Abel spürte, wie sein Schweißband ganz feucht wurde. »Andere hatten da weniger Glück gehabt. Also liegt man da rum und versucht, sich wieder in den Griff zu kriegen, was einem nicht sehr gut gelingt, und man würd’ alles tun, um überhaupt was zu empfinden, selbst wenn’s nur Angst ist.«
Rina schwieg.
Er schüttelte den Kopf. »Das können Sie wohl nicht verstehen …«
»Was ich nicht verstehe, ist, wie Sie mir etwas so Furchtbares … Grausames … Ungeheuerliches antun konnten!« schrie Rina ihn an.
»Es tut mir leid …«
»Besonders, da ich die Verlobte Ihres besten Freundes bin.«
Abel antwortete nicht. Und mit diesem Schweigen hatte Abel alles gesagt.
»Es hatte also überhaupt nichts mit mir zu tun?« sagte Rina. »Sie mögen mich doch.«
»Mehr als das, Honey.«
»Aber noch größer ist Ihr Haß gegen Peter.«
Abel lachte zu laut. »Sie sind eine kluge Frau.«
Rina wischte sich die Tränen weg und sagte leise: »Dabei war ich so nett zu Ihnen.«
»Es tut mir leid.« Ihm war bewußt, wie banal seine Entschuldigung war, aber ihm fiel nichts Besseres ein.
»Sie haben mich in eine Falle gelockt«, fuhr Rina fort. »Als Vergeltung für etwas, was Peter Ihnen angetan hat. Sie Mistkerl!«
Abel nickte zustimmend.
Rina versuchte zu sprechen, aber ihr versagte die Stimme. Sie begrub den Kopf in ihren Händen und weinte.
»Wissen Sie, was das allerschlimmste dabei ist?« sagte sie schließlich. »Peter muß Ihnen erzählt haben, was mir vor zwei Jahren passiert ist. Wie jemand versucht hat, mich zu vergewaltigen. Sonst hätten Sie das nicht erwähnt, mit dem auf jemanden schießen, der nachts im Wald flieht.«
»Er hat’s mir erzählt.«
»Wie konnten Sie mir das antun – oder überhaupt jemandem –, da Sie doch wußten, was ich durchgemacht hatte?« Rina trocknete sich die Augen an ihrem Ärmel. »Was hat Peter denn verbrochen? Daß er den Krieg heil überlebt hat?«
»Daß er mir das Leben gerettet hat«, sagte Abel.
»Lieber Gott …« Rina sprach ein stilles Gebet, dann fuhr sie sich mit den Händen durch die Haare. »Sie sind wirklich krank, wissen Sie das?«
»Ich bin mehr als krank, Rina. Im Grunde bin ich längst tot. Ich bin an dem Tag gestorben, an dem ich mein Bein verloren hab’.« Er starrte ihr ins Gesicht. »Der Schlüssel drehte sich bereits im Zündschloß, da hörte ich Pete schreien, ich solle aus dem Jeep springen. Hab’s aber nicht mehr ganz geschafft.«
»Und so revanchieren Sie sich dafür?«
»Er hätte mich sterben lassen sollen«, sagte Abel. »Meine Verlobte war an dem Tag gestorben. Deshalb war ich ganz benebelt. Sie war wunderschön, Rina, halb Koreanerin und halb Vietnamesin. Eine absolut schöne Frau. Sie hieß Song Duc Lu. Fragen Sie Pete mal nach ihr. Er hat sie gut gekannt, allerdings nicht so gut, wie er glaubte …« Er senkte den Blick.
Mit zitternden Händen legte Rina die Handtasche auf ihren Schoß. Auf merkwürdige Weise fühlte sie sich jetzt sicher. Er hatte seine Chance gehabt, und er hatte sie nicht genutzt. War zwar simpel gedacht, doch sie hielt an dieser Logik genauso fest, wie sie ihre Tasche umklammert hielt.
»Also sind Sie wütend auf Peter, weil er Ihnen das Leben gerettet hat«, sagte Rina. »Und weil Ihre Freundin gestorben ist. Sie sind verrückt, Abel. Sie sind verrückt, und trotzdem haben Sie recht! Peter hätte Sie sterben lassen sollen.«
Abel verzog das Gesicht ganz langsam zu einem Lächeln, das seine ganze gequälte Seele ahnen ließ. Plötzlich schämte sich Rina. Sie starrte ihn an, diese Hülse von Mann, den ein zu früher Verlust wie Gift verzehrt hatte. Rina kannte dieses Gefühl nur zu gut. Einmal war sie genauso verbittert gewesen wie er. Aber die Zeit und Gott hatten ihre Seele beruhigt. Sie kannte Menschen, die in schweren Zeiten zu Gott zurückgefunden hatten, doch die meisten fanden ihre Rettung letztlich nicht in der Religion. Eine andere Sache war das mit der Zeit. Die meisten gequälten Seelen kamen im Laufe der Jahre zur Ruhe. Abel war eine der Ausnahmen. Seine Kriegserfahrungen hatten aus ihm einen Geist gemacht. Hinter seiner Geschichte mußte noch mehr stecken, doch sie wollte ihn in kein weiteres Gespräch verwickeln. Plötzlich schien ihr die Aussicht, nach New York zurückzukehren, nicht mehr ganz so düster.
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