Abschied von Eden
was hat sie Ihnen erzählt, was passiert ist?«
»Bloß daß sie Schreie gehört hätte. Sie ist dann zu dem Opfer reingegangen …«
»Die Tür war nicht abgeschlossen?«
»Muß wohl so gewesen sein.« Hoersch verschränkte die Arme über der Brust. »Wissen Sie, ohne meine Notizen vor der Nase kann ich mich nicht so gut erinnern.«
»Sie machen das besser, als ich es könnte. Außerdem ist das hier ganz inoffiziell.«
»Ist dieser Krüppel wirklich ein Kumpel von Ihnen?«
»Yep.«
Hoersch zog die Augenbrauen hoch.
»Leandra hat also Stimmen gehört und ist dann zu dem Opfer reingelaufen«, sagte Decker.
»Yeah. Nein … warten Sie. Ich glaub’, es war so. Zuerst hat sie die Polizei angerufen, hat sie gesagt. Dann ist sie rübergelaufen und hat gesehen, wie der Täter das Opfer angriff. Da hat sie ihm eine Lampe über den Schädel gezogen. Als wir kamen, war er noch ganz benommen.«
»Sie hat erst die 911 angerufen?«
»Ich mein’, das hätte sie gesagt. Sie hat Schreie gehört und hat die Polizei angerufen. Aber die Polizei ließ auf sich warten, deshalb ist sie selbst reingegangen … irgendwie so was.«
»Die 911 wurde tatsächlich angerufen«, sagte Decker, »aber vom Telefon des Opfers aus.«
Hoersch zögerte. »Ich meine, sie hätte gesagt, sie hätte die Polizei von ihrer Wohnung aus angerufen.«
»Vielleicht lebt sie mit dem Opfer in einer Wohnung.«
»Ich muß einen Blick auf meine Notizen werfen. Ich möchte Ihnen nichts Falsches sagen.«
»Aber Sie könnten diese Leandra identifizieren?«
»Denke schon.«
»Was ist mit Torres?«
»Yeah, vermutlich auch. Oder Andrick.«
»Andrick ist tot«, sagte Decker. »Herzinfarkt.«
»Echt?« Hoersch pfiff durch die Zähne und schüttelte den Kopf. »Mein Gott. Da sieht man diesen Kerl noch … Ich hatte drei Tage frei. Bin nach Catalina zum Tauchen gefahren … Scheiße, das ist hart.«
»Kann ich Ihre Notizen sehen?«
Hoersch antwortete nicht. Decker wiederholte die Frage.
»Ich denk’, das ist okay.« Er zögerte einen Augenblick, dann sagte er: »Was meinen Sie, wie alt Andrick war?«
»Mitte Fünfzig.«
»Außerdem war er übergewichtig.« Hoersch klopfte sich auf seinen festen Bauch. »Mann, wenn ich in seinem Alter bin, werd’ ich noch fit sein. Der Körper ist nur so gut, wie man ihn behandelt.«
»Wann kann ich Ihre Notizen sehen?« fragte Decker.
»Ich hab’ ab drei Uhr Dienst«, sagte Hoersch. »Wir treffen uns eine halbe Stunde vorher im Revier.«
»Danke, das werd’ ich Ihnen nicht vergessen, Hoersch.«
Hoersch begann wieder auf den Fußballen zu wippen. »Keine Sorge, Sergeant.« Er lächelte. »Wenn Sie’s vergessen, werd’ ich Sie dran erinnern.«
Abels Motorrad lag vor der Garagentür. Rina parkte den Porsche vor der Einfahrt und ging ins Haus. Als sie die Seitentür zumachte, hörte sie von hinten ein gleichmäßiges Hämmern. Wie gewöhnlich war Peter noch nicht zu Hause. Wie gewöhnlich war sie sich selbst überlassen.
Sie ging im Wohnzimmer auf und ab und beschloß nach wenigen Minuten, daß sie nicht einen weiteren Nachmittag als Gefangene im Haus verbringen würde, während er in der Scheune arbeitete. Sie würde zu ihm gehen und ihn bitten zu verschwinden. Bei der Vorstellung wurde sie nervös, obwohl sie weniger Angst vor Abel hatte, seit sie ihn mit Peter hatte Basketball spielen sehen und erlebt hatte, wie freundschaftlich sie miteinander umgingen.
Dennoch …
Vorsorglich tastete sie in ihrer Handtasche nach dem Revolver und prüfte, ob er geladen war.
War er.
Sie hängte sich die Tasche über die Schulter und ging nach draußen. Die Scheunentür stand weit auf. Abel war im hinteren Teil und sah gerade neue Holzbretter durch, die gegen die Heuballen gestapelt waren. Er trug ein blaues ärmelloses T-Shirt und ausgeblichene braune Cordshorts. Sein Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden, und um die Stirn trug er ein rotes Schweißband. Sein gesunder Fuß und seine Prothese steckten beide in Turnschuhen. Rina blieb vor der Tür stehen und rief seinen Namen. Abel drehte sich um und strahlte sie an.
»Sie sollen im Augenblick doch nicht herkommen«, sagte Rina.
Abels Lächeln verschwand. »Ich gehe, wenn Sie wollen.«
»Sie wissen doch, wie Peter ist …«
»Sie brauchen mir nichts zu erklären, Ma’am.«
»Nennen Sie mich nicht immer Ma’am.« Rina bemerkte einen nervösen Unterton in ihrer Stimme. »Hören Sie, es tut mir leid. Es ist nichts Persönliches. Peter ist halt so, und ich
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