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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Sie«, sagte sie. »Es … es tut mir leid, daß Ihre Verlobte gestorben ist. Aber ich hab’ sie nicht umgebracht.«
    Abel lachte bitter. »Das ist wohl wahr.«
    Seine Gegenwart war erdrückend. Sie mußte hier raus. Sie versuchte aufzustehen, hatte aber nicht genügend Kraft. »Ich bin ein bißchen zittrig, Abel«, sagte sie mit klarer Stimme. »Helfen Sie mir bitte hoch.«
    Abel betrachtete einen Augenblick lang ihr Gesicht. Es war voller Zorn, doch er wußte, sie würde ihm verzeihen. Sie war so ein Mensch, das genaue Gegenteil von ihm. Selbst nach allem, was er ihr angetan hatte, würde sie ihn nicht ewig hassen. Er dachte daran, wie sie ihn angesehen hatte, als er sie bedroht hatte. Er hatte gewußt, daß sie nicht abdrücken würde.
    Er stand auf, bot ihr seine Hand und zog sie hoch. Dabei hielt er ihre Hand ein bißchen länger, als nötig gewesen wäre. Und das wußte sie auch. Doch sie schien zu erschöpft, um die Hand wegzuziehen. Dann führte er ihre Hand an seine Lippen und küßte mehrmals ihre Fingerspitzen.
    »Sie haben es nicht getan, oder?« fragte Rina.
    »Nein.« Abel ließ ihre Hand fallen. »Nein, ich hab’ es nicht getan. Ich hab’ zwar viele schlechte Eigenschaften, und Sie haben gerade eine davon kennengelernt, Rina – ich kann nicht vergessen. Aber ich würd’ einer Frau nie weh tun – niemals.«
    Jedenfalls nicht körperlich weh tun, dachte Rina. Sie drehte sich auf dem Absatz um und lief ins Haus, ohne sich noch einmal umzusehen. Zehn Minuten später hörte sie das Motorrad dröhnend anspringen. Es spuckte und fauchte, dann ließ der Lärm nach und entschwand schließlich in der heißen Sommerluft.

27
    Ganz ruhig.
    Decker hatte im Laufe der Jahre viel gelernt. Zwei Jahrzehnte Polizeiarbeit, das war wie ein ausgiebiger Kurs in Selbstbeherrschung. Sachlich und kühl nach innen, mitfühlend nach außen. Häng dich bloß nicht zu sehr rein.
    Nur daß der Scheißkerl ihr eine Waffe an den Kopf gehalten hatte. Plötzlich spielte alles andere keine Rolle mehr.
    Er parkte den Plymouth in einer Seitenstraße zwischen Sunset und Hollywood Boulevard – gleich weit entfernt von den jugendlichen Prostituierten wie von den Päderasten auf Beutefang. Die grelle Mittagssonne ließ alles noch häßlicher erscheinen. Überall heruntergekommene Wohnhäuser. Gebäude, die von Dreck und Smog ganz grau geworden waren. Bungalows mit morschen Veranden und verrosteten Seitenwänden.
    Abel wohnte in einem verwahrlosten zweistöckigen Haus, das sich Aloha nannte. Die Fassade war rosa gestrichen, aber irgendwann war sie mal aquamarinblau gewesen, denn an einigen Stellen kam die alte Farbe wie Tintenkleckse durch. Decker lief eine Metalltreppe hinauf, die voller Stand war, und ging dann einen Außenflur entlang, der nach hinten führte. Von Abels Junggesellenbude sah man auf einen gebührenpflichtigen Parkplatz. Die Tür stand offen. Decker ging hinein.
    Die Wohnung war äußerst karg. Gelb gestrichene Wände, ein abgenutzter brauner Teppich so flach wie festgetretene Erde. Der Bezug des Sofas war mal rotgoldener Brokat gewesen, doch nun war er so fadenscheinig geworden, daß er an Verbandsmull erinnerte. Vor dem Sofa stand auf wackeligen schwarzen Beinen ein Resopaltisch mit Holzmusterung. In der Fensterecke befand sich ein dazu passender quadratischer Tisch mit zwei orangenen Plastikstühlen. Die Tischplatte war sauber, und außer einer Arbeitslampe und einem alten Toaster stand nichts darauf. Die Kochecke – zwei Kochplatten, ein Kühlschrank von der Größe eines Barfachs und ein kleines, blendend weiß poliertes Porzellanbecken – war in einen Einbauschrank gequetscht worden. Das Zimmer war stickig und roch wie immer nach Ammoniak, Insektenspray und Desinfektionsmittel.
    Abel sah aus dem Fenster, die Hände auf das Fensterbrett gestützt, die Schultern vorgeschoben. Seine Füße schwebten etwa zwanzig Zentimeter über dem Boden. Er trug graue Shorts und ein schwarzweiß kariertes Schweißband. Sein Oberkörper war nackt. Der Bart war ordentlich geschnitten, die Haare gewaschen und zu einem Zopf geflochten, der ihm über den Rücken fiel.
    »Hast du schon mal daran gedacht, ein Bild aufzuhängen?« fragte Decker.
    »Schlichtheit hat auch ihren Reiz«, antwortete Abel.
    Decker ging zu ihm und drückte ihn nach unten, bis er mit den Füßen den Boden berührte. Abel drehte sich ihm zu.
    »Okay, Kumpel«, sagte Decker. »Spuck’s aus.«
    Abel antwortete nicht.
    »Sag es.« Decker gab ihm einen Schubs. »Sag

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