Abschied von Eden
Tal namens Sagebrush Canyon, unmittelbar außerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs. Es läuft zwischen den Bergen durch, beginnt direkt oben am Hansen-Damm und der Lakeview Terrace und führt in einem Bogen am oberen Ende der neuen Manfred-Siedlung vorbei. Viele Weiden – Alfalfa- und Kleefelder. Appleman hat gesagt, da draußen gäb’ es ein paar selbstständige Bienenzüchter. Ich denke, da haben wir die besten Chancen.«
»Wer ist für die Gegend zuständig?«
»Es ist eine selbstständige Kommune in L. A. County. Ich hab’ nicht feststellen können, ob sie eine eigene Polizei haben. Vielleicht lassen die sich jemand kommen, wenn’s nötig ist.«
»Sehen wir uns das mal an«, sagte Decker.
Marge bog mit dem Zivilfahrzeug auf den Foothill Boulevard, der Hauptverkehrsstraße ihres Bezirks, die am Fuß der San Gabriel Mountains vorbeiführte. Die Sonne hatte den Smog weggebrannt, und ein trockener Wind fegte durch die Luft. Die zweispurige Straße hatte keinen Gehweg und war von einer merkwürdigen Mischung aus industriellen und landwirtschaftlichen Gebäuden gesäumt – baufällige Ranchen waren eingequetscht zwischen zahlreichen Baumärkten, Ziegeleien standen unmittelbar neben Baumschulen. Marge fuhr an in Töpfe gepflanzten Bäumen vorbei, die wie Grabsteine in einer Reihe aufgestellt waren, und an einem langen ausgetrockneten Abflußkanal, dessen Boden voller glatter, kalkgrauer Steine lag. Ein Cowboy ritt mit nacktem Oberkörper durch das trockene Flußbett, in einer Hand die Zügel, in der anderen die Leine eines schwarzen Labrador-Retrievers.
Die Straße überquerte den Kanal, und kurz darauf fuhren sie an einem Park vorbei. Auf einem asphaltierten Hof, der in der Hitze flimmerte, spielten einige Jungen Basketball. Daneben war ein schattiger Spielplatz. Mütter in kurzärmeligen T-Shirts und adretten Shorts stießen die Schaukeln an, während sie sich mit einer Hand Luft zufächelten. Gegenüber dem Park waren ein K Mart und eine Walzblechfabrik.
Ein Jingle aus dem Fernsehen kam Marge in den Sinn, ein Werbespruch für einen Supermarkt, der behauptete, die ganze amerikanische Mittelschicht mit Speisen und Getränken zu versorgen. Sie sang:
»Don’t have a big, foreign car …«
Decker sah sie an.
»Don’t have a mansion on a hill …«
»Jetzt hättest du mich fast reingelegt.«
»But I’m an Americann …«
»Weißt du, was ich mir vorstelle, wenn ich diese ganzen verlogenen Werbespots über Leute wie du und ich sehe?« sagte Decker. »Eingeschriebene Mitglieder der Schauspielergewerkschaft, die nach festgelegten Tarifen bezahlt werden und hoffen, daß der betreffende Werbespot hundertmal am Tag gesendet wird, damit sie sich ein großes ausländisches Auto oder eine Villa am Hang leisten können.«
»Aber sieh dir doch nur mal diese wunderbare Natur an, Pete«, sagte Marge und zeigte auf einen Schotterhaufen. »Würdest du das tatsächlich alles aufgeben, wenn du … sagen wir mal … groß im Lotto gewinnen würdest?«
Decker lachte herzhaft.
»Was würdest du denn mit der ganzen Freizeit machen?«
»Oh, das weiß ich nicht. Ich könnte mir viele Dinge vorstellen«, sagte Decker und dachte dabei, daß wohl die meisten mit Rina und einem Schlafzimmer zu tun hätten.
Als ob sie seine Gedanken gelesen hätte, fragte Marge: »Wie geht es Rina?«
»Schlägt sich ganz wacker«, sagte Decker. »Sie kommt zurück.«
»Ohne Quatsch? Was hat sie denn dazu veranlaßt?«
»Meine Manneskraft.«
Marge lächelte. »Das freut mich für dich, Pete.«
»Danke. Ich freu’ mich auch sehr.«
»Macht ihr zwei dann ernst?«
»Wenn sie es sich nicht wieder anders überlegt, ja.«
»Du hast doch keine Bedenken?«
»Nein«, sagte Decker. »Überhaupt nicht.«
»Ich hab’ furchtbaren Schiß vorm Heiraten«, sagte Marge. »Was ist, wenn’s der Falsche ist? In einer Hinsicht hat Charlie Benko recht. Menschen sind keine Baseballs. Ich brächte es nicht fertig, den Kerl rauszuschmeißen. Selbst wenn ich merken würde, daß ich einen Riesenfehler gemacht hätte.«
»Weißt du, Margie, der Job stumpft unsere Gefühle ab. Das muß auch so sein – sonst würden wir die ganze Zeit in unser Bier flennen. Deshalb denke ich die wenigen Male, in denen ich mit dem Herzen statt mit dem Kopf reagiere, nicht über die Konsequenzen nach. Ich genieße es einfach, mich meinen Gefühlen hinzugeben.«
Marge zog die Stirn in Falten. »Weißt du was? Ich werd’ in Zukunft genauso denken.«
Decker lächelte,
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