Abschied von Eden
dann starrte er aus dem Fenster.
Marge bog mit dem Plymouth nach links, ließ einen samtig grünen Golfplatz hinter sich und folgte einer schmalen kurvigen Straße, die in die Berge eingemeißelt schien. Die Gebirgsausläufer bestanden aus sandfarbenen felsigen Hügeln, auf denen verdorrtes Gestrüpp wuchs und hohes Gras, das die grelle Sonne strohgelb gefärbt hatte. Zwischen den Steinen stachen einzelne Farbflecken hervor – winzige weiß-lila Blüten, gelblicher Löwenzahn, orangefarbener Goldmohn und langstielige Sonnenblumen. Mit bockendem Getriebe fuhr der Wagen den Berg hinauf, und als sie die erste Anhöhe erreichten, konnte man in einen riesigen Krater aus Stein und Stahl sehen. Früher war das Betonbecken mit Millionen Liter Wasser gefüllt gewesen, doch Anfang der achtziger Jahre hatte man den Hansen-Damm für zu alt und nicht mehr sicher erachtet und ihn trockengelegt. Marge sah seufzend zu der leeren Talsperre.
»Jedes Mal, wenn ich das sehe, muß ich an die Millionen von Dollars und Arbeitsstunden denken … alles dahin.«
»Man munkelt, daß Manfred an dem Land interessiert ist«, sagte Decker.
»Du machst wohl Witze. Davon hab’ ich noch nichts gehört.«
»Ich glaube, Mike hat es mir erzählt. Er weiß über solche Dinge Bescheid. Wär’ schön, wenn sie das Becken wieder füllen würden. Dann brauchten wir mit den Booten nicht mehr bis zum Lake Castaic zu fahren.«
»Wie ich Manfred kenne, füllen die es vermutlich mit Giftmüll«, sagte Marge. »Im Bezirksgericht findet eine große Versammlung wegen Manfreds neuester Pläne zum Bau eines siebenstöckigen Bürohauses statt. Am siebenundzwanzigsten dieses Monats. Die Rancher wollen sich dafür einsetzen, daß alle Pläne für Gebäude mit mehr als zwei Stockwerken eingefroren werden. Hast du Interesse?«
»Eigentlich nicht.«
»Was willst du denn tun? Warten, bis sie auch bei dir in der Nachbarschaft anfangen?« Marge schüttelte den Kopf. »Die bauen direkt hinter meinem Haus. Ein schönes Stück Land, wo früher Kornfelder waren. Weißt du, ich könnte ja noch akzeptieren, daß L. A. mehr Häuser als Getreide braucht, aber die haben in ihren letzten beiden Siedlungen noch nicht mal alles verkauft. Die bauen einfach alles zu.«
»Paß auf die Kurven auf, Marge.«
»Die seh’ ich schon.« Sie wischte sich mit dem Handrücken über die verschwitzte Stirn. »Diese ganzen Reihenhäuser, stören die dich denn nicht?«
»Mir wär’ natürlich lieber, wenn alles so bliebe, wie es ist«, sagte Decker. »Aber es bereitet mir auch keine schlaflosen Nächte.«
»Bis sie hinter deinem Haus anfangen zu bauen.«
»Das würde mir allerdings nicht gefallen.«
In der nächsten Kurve bremste Marge plötzlich. Direkt unter ihnen lag der Sagebrush Canyon in seinem satten Grün. Marge schaltete die Automatik in einen niedrigen Gang, und sie fuhren ins Tal hinunter. Lehmrote Felsen und dicke Steinbrocken rahmten weite Flächen ein, die mit rosa-weißem Klee, lavendelfarbener Alfalfa und silbergrauem Beifuß bewachsen waren. Die Felder waren in letzter Zeit wohl bewässert worden, denn an den Pflanzen hingen Wassertropfen, die wie Glassplitter in der Sonne glitzerten. Die Luft schien ein wenig kühler, doch es wehte immer noch ein kräftiger warmer Wind. Der Himmel schimmerte blau.
»Nur die Ecke rum, und ich wußte nicht mal, daß es hier überhaupt so was gibt«, sagte Decker.
»Ich auch nicht.«
In der Schlucht bog der Plymouth nach links ab. Als erstes bemerkten sie eine Scheune ohne Dach mitten in einem Feld, auf dem Jersey-Rinder grasten. Vor der Scheune lagen Heuhäufen. Fünf Minuten später fuhren sie an einem einstöckigen, weiß getünchten Haus vorbei. Über dem Eingang war ein handgemaltes Schild angebracht, auf dem in roten Buchstaben SAGEBRUSH CANYON GENERAL STORE stand. Nach einer weiteren halben Meile kamen sie an ein verputztes Eßlokal, auf das ein pfeilförmiger Wegweiser mit der Aufschrift EATS zeigte. Auf der anderen Straßenseite waren eine Tankstelle mit zwei altmodischen Zapfsäulen, eine Telefonzelle und ein Holzschuppen. Ein beißender Uringestank drang ihnen in die Nase.
»Hier wird was gebraut«, sagte Decker. »Und zwar kein illegaler Whiskey.«
»Den Geruch gibt’s nur einmal«, sagte Marge.
»Zweimal. Du hast Pisse vergessen.«
Marge lachte. »Hier gibt’s also Speed. Wo sind denn die Motorradfahrer?«
»Nicht weit. Das garantier’ ich dir.«
Es folgten wieder leuchtende Felder – Weiden mit zahllosen Kühen
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