Abschied von Eden
nicht heiraten, wenn er nicht jüdisch und religiös wäre. Aber es steckte mehr als ihre Liebe dahinter. Irgend etwas in seinem Inneren zog ihn zum Judaismus und hielt ihn in Bann, obwohl das viele Stunden Bibelstudium bedeutete und zusätzliche Restriktionen in seinem ohnehin schon bedrängten Leben. Wenn man ihn danach fragte, konnte Decker es nicht erklären. Paul zog ihn wegen der Konvertierung auf – alle Kollegen hatten das irgendwann mal getan. Er war ihnen ein Rätsel. Wie konnte man einundvierzig Jahre als Nichtjude einfach unter den Teppich kehren? Deckers Antwort: Das konnte man nicht. Er betrachtete sich immer noch als Kind der Eltern, bei denen er aufgewachsen war, als Sprößling einer prinzipientreuen Mutter und eines starken Vaters, die ihn baptistisch erzogen hatten.
Er hatte gerade seine zweite Tasse Kaffee ausgetrunken, als Marge mit einem etwa fünfzigjährigen pausbäckigen Mann ins Büro kam.
»Sergeant Decker«, sagte sie, »das ist Charlie Benko, der Kopfgeldjäger, der geglaubt hatte, Sally Baby könnte das Kind sein, das er gerade sucht. Er wird unsere Verbrecheralben durchgehen und schauen, ob er unter unseren Schätzchen vielleicht diesen Kidnapper-Ehemann findet.«
»Gute Idee«, sagte Decker. »Wie geht’s der Mutter?«
Charlie machte eine wegwerfende Bewegung mit der rechten Hand. »Mit ’nem besseren Ehemann würd’s ihr besser gehen.«
»Nummer zwei ist also auch ein Ekelpaket?« fragte Marge. »Manche Frauen ziehen einfach nur Nieten.«
»Nun ja, Nummer zwei schlägt sie nicht und trinkt auch nicht oder so«, sagte Benko. »Das Problem ist, er hat absolut kein Verständnis für sie. Der denkt vermutlich, was soll’s, ist ja nicht mein Kind. Aber er sollte sich zumindest besser verstellen. Wissen Sie, was der zu Dotty gesagt hat? Vergiß es, wir machen ein neues.«
»Einfühlsamer Typ«, sagte Marge.
»Yeah, als ob ein Kind so was wie’n Baseball wär’, den man im Gebüsch verliert. Ist einer weg, kauft man sich halt ’nen neuen. Aber Charlie Benko findet all die verdammten Baseballs, selbst wenn er auf Händen und Knien durchs Gebüsch kriechen muß, verstehen Sie, was ich meine? Deshalb tue ich auch für Dotty mehr, als ich muß. Zum Teufel, die Hälfte meiner Zeit berechne ich ihr noch nicht mal. Aber letzten Endes zahlt es sich aus. Ich kann nachts ruhig schlafen, und wenn ich mal wieder ’ne Empfehlung brauche, wird Dotty den Leuten sagen, daß Charlie Benko ’n paar Überstunden für sie abgerissen hat.«
»Hier sind die Verbrecheralben«, sagte Marge. »Sie können sich an meinen Schreibtisch setzen.«
»Irgendwie find’ ich den Scheißkerl«, sagte Benko. »Die kleine Heather wird nicht als ein weiterer verlorener Baseball enden.«
»Möchten Sie ’nen Kaffee, Charlie?« fragte Marge.
»Gern. Mit Milch und drei Löffeln Zucker. Früher hab’ ich ihn schwarz getrunken, aber das Leben ist zu kurz. Vor drei Jahren hat der Krebs meine Frau dahingerafft. Seitdem sag’ ich mir immer, was soll’s.« Er zögerte einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf und schlug das erste Verbrecheralbum auf.
»Bleibst du hier, Detective Hollander?« fragte Marge.
»Warum?«
»Wenn Charlie den Schweinehund findet, braucht er jemanden, der den Namen in den Computer eingibt.«
»Kein Problem«, sagte Hollander. »Ich muß gleich nur mal schnell zur Klapsmühle, sollte aber in ’ner Stunde wieder hier sein.«
»Klapsmühle?« sagte Benko. »Sie arbeiten mit Verrückten, Detective? Junge, Junge, ich hab’ in meinem Leben schon einige Verrückte getroffen.«
»Die Klapsmühle ist die Jugendstrafanstalt von San Fernando Valley«, sagte MacPherson. »Auf der Filbert Street.«
»Filbert – ah, Klapsmühle, jetzt versteh’ ich«, sagte Benko. »Das gefällt mir.«
»Während der Abwesenheit von Detective Hollander bin ich Mr. Benko gern behilflich«, sagte MacPherson.
»Ein seltener Anfall von Altruismus seitens Detective MacPherson«, sagte Decker.
»Yeah, vielen Dank, Kumpel«, sagte Benko und blätterte eine weitere Seite um.
Marge nahm sich ihre Notizen und sagte zu Decker: »Das hab’ ich inzwischen rausgekriegt. Mitch Appleman, der Imkerei-Commissioner, hat mir einige Adressen von Bienenzüchtern in der Gegend gegeben. Die großen kommerziellen Imkereien liegen jenseits des Antelope Valley Freeway Richtung Canyon Country. Bißchen weit für Baby Sally zu laufen.«
»Ungefähr fünf Meilen zu weit.«
»Aber«, sagte Marge, »es gibt da so ein kleines
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