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Abschiedskuss

Abschiedskuss

Titel: Abschiedskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Hellberg
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unmerklich nach rechts verlagere, um einen letzten Blick auf Jack Winters zerzausten Kopf auf dem Weg zur Garderobe zu erhaschen, sehe ich in der Menge wieder die blondgelockte, schon ältere Frau. Sie gehört wohl zu den Lehrkräften, denn sie spricht mit einigen Studenten. Jetzt hat sie eine eckige, ziemlich trendige Brille aufgesetzt. Sie fuchtelt mit den Händen. Ich richte mich auf und zwinge mich, sie direkt anzusehen, sie in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Meine Handflächen werden schweißnass, und meine Augen brennen wie Feuer. Als ich ihre Füße, ihre Gestik und ihr strahlendes Lächeln sehe, wird mir jedoch klar, dass keinerlei Ähnlichkeit zu meiner Mutter besteht. Diese Frau fühlt sich in ihrer Haut ausgesprochen wohl.

9. Kapitel
    Der Oktober rückt näher und breitet eine dicke, undurchdringliche Decke aus stahlgrauen Wolken über Oxford. Die Stadt scheint in ewige Dämmerung zu versinken. Die klare, schneidende Luft, an die ich mich so gewöhnt habe, wird unangenehm dumpf. Es ist, als würde man mit einem Fremden in einen feuchten Sack gesteckt.
    Yasu wirkt gleichzeitig stolz und verlegen, als sie ihre erste Arbeit vor uns anderen im Seminarraum auf eine Staffelei stellt. Ihr Name bedeutet ja vielleicht so viel wie verträumt, aber ihr Selbstporträt ist alles andere als das. Yasu hat eine Mangaversion ihrer selbst in Rot-Weiß und mit schwarzer Tusche angefertigt. Selbstsichere, dünne, mit dem Pinsel gemalte Linien auf einem Hintergrund aus Wolkenkratzern und japanischer Kalligraphie. Eine Comic-Heldin mit einem Busen, der das löchrige Unterhemd zu sprengen droht. Die einzige Gemeinsamkeit mit der in Wirklichkeit recht scheuen Yasu ist der asymmetrische Pony. Das Bild ist originell, eindrucksvoll und technisch perfekt. Ich winde mich vor Scham und Unbehagen und wünsche mir, ich könnte mein eigenes Selbstporträt in zwei Stücke reißen. Nein, in tausend Stücke. Ich will mein Machwerk in Konfetti verwandeln, in den großen Papierkorb neben der Spüle im Seminarraum herabrieseln lassen, durch die Korridore und das Portal der Akademie laufen und nie mehr zurückkommen.
    Ich habe mich bei meinem Selbstporträt für Bleistift und Gouache entschieden. Aber liegt es wirklich daran? Oder habe ich einfach wie eine Amateurin blind darauflos begonnen? Habe ich überhaupt über Chesterfields Rat nachgedacht? Keine Hemmungen zu haben, mich auf das zu besinnen, was mich auszeichnet, auf meine Wurzeln? Ein Glück, dass meine Präsentation eine der ersten war, denke ich. So ist es mir wenigstens erspart geblieben, beim Anblick der Werke meiner begabtesten Mitstudenten vollkommen den Mut zu verlieren, bevor ich an die Reihe kam.
    Anschließend werfe ich mein Selbstporträt umgedreht unter meinen Stuhl auf den schmutzigen Linoleumfußboden, damit es niemand mehr anzuschauen braucht. Am allerwenigsten ich selbst. Trotzdem habe ich jede unsichere Linie vor Augen, die verwässerten Farben, die flache, ausdruckslose Gesamterscheinung. Das billige Papier, das Wellen schlägt und rissig geworden ist. Ich stelle die Zehenspitzen auf die Ecken des Blatts und vollführe eine Drehung.
    Ich rufe mir die Bilder der anderen ins Gedächtnis. Ein grausamer Kontrast. Nikitas von Gauguin inspiriertes Selbstporträt in warmen Terrakottatönen. Ashleys ausgefeilte Aquarelltechnik, seine Begabung für Licht und Schatten. Was habe ich hier zu suchen?
    Jack Winter ist der Letzte, der sein Selbstporträt zeigt. Ich beuge mich etwas weiter vor, und mein Selbstmitleid weicht einem mit Spannung gemischten Unbehagen. Ich will mir aus irgendeinem Grund die Chance nicht entgehen lassen, wieder einen Blick auf diese rauen, kräftigen Hände zu werfen.
    Als Jack sein schweres Gemälde aus dem Packpapier gewickelt und auf die Staffelei gestellt hat, bleibt der gesamten Klasse die Luft weg. Die Leinwand ist senkrecht aufgeschlitzt wie eine Wunde. Um diese klaffende Öffnung herum hat der Maler eine diffuse Körperform angedeutet, so dass der Eindruck eines Einschnitts in einen dreidimensionalen Torso entsteht. Die Verletzung wirkt sehr naturgetreu, die schwarzrote Ölfarbe ist pastos aufgetragen und quillt über die Schnittkanten. Der Kopf der Figur fehlt. In den dunklen Schlitz hat Jack ein weiteres Gemälde montiert. Professor Chesterfield kneift die Augen zusammen und tritt näher. Er zieht die Nase kraus, als würde das Gemälde einen abstoßenden Geruch absondern.
    »Sie haben hier ein kleines Frauenporträt montiert, Jack.«
    Der jüngere

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