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Abschiedskuss

Abschiedskuss

Titel: Abschiedskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Hellberg
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ja erzählen, was Sie beobachtet haben, dann kann ich entscheiden, wie wir weiter verfahren. Wäre das okay für Sie? Sie brauchen wirklich nichts zu befürchten.«
    Der Obdachlose nickt stumm. Ich entschuldige mich und gehe auf die Toilette, denn mir ist klar, dass es unpassend wäre, sitzenzubleiben und zuzuhören. Hinter mir höre ich, wie Pete beginnt, dem aufmerksam zuhörenden Inspektor seine Geschichte zuzuflüstern.
    »Und sonst?«, fragt King, als wir uns alle drei erheben, um zu gehen.
    »Alles bestens«, meint Pete. »Es gibt wirklich keinen Grund zur Klage. Ich habe in der Entziehungskur eine Frau kennengelernt. Jetzt muss man sich halt etwas Mühe geben, hehe.«
    Petes Wangen werden rosig, und er schaut auf seine Zeitungen.
    »Ich werde bald Vater«, sagt er mit einem grüblerischen Lächeln, fast schüchtern.
    »Was Sie nicht sagen!« Ich spüre die Traurigkeit, die King ausstrahlt und die seinen munteren Worten widerspricht. Ich merke auch, wie der Inspektor gegen dieses Gefühl ankämpft. Er klopft Pete auf die Schulter. Wer sagt denn, dass es unbedingt den Bach runtergehen muss?
    »Wie schön! Gratuliere, Pete! Dann können wir nur hoffen, dass das Kleine das Aussehen der Mutter bekommt, was?«
    »Die Kleine«, sagt Pete und grinst. »Es wird ein Mädchen.«
    In diesem Augenblick, bevor wir uns trennen, sehe ich, wie sich diese beiden Männer als Gleichgestellte begegnen. Jenseits von Lebensumständen, Klassenzugehörigkeit und Alkoholismus. Zwei Menschen, die einfach nur die Freude über ein kleines, noch ungeborenes Kind teilen.
    Als wir auf die regennasse Straße treten, merke ich, dass King breit lächelt. Aber in dem Augenblick, in dem er nach seiner Brieftasche in der Innentasche greift, erstirbt das Lächeln.
    »Pete«, ruft King, dreht sich um und beginnt, die Straße hinunter zu rennen. Sein offener Mantel flattert um die Hosenbeine. »Pete, warten Sie!«
    Ich sehe, wie King einen Sprung über eine Pfütze aus Schneematsch macht und einem schmutzig braunen Schwall Regenwasser ausweicht, den ein Linienbus auf den Gehsteig spült. Ich hefte mich an seine Fersen. Auf halbem Weg zu den Dorset Gardens holen wir Pete ein.
    »Ich hab ganz vergessen …«, keucht der Inspektor. Er klappt seine Brieftasche auf und nimmt einen Zehn-Pfund-Schein heraus. »… Ihnen eine Zeitung abzukaufen. Zehn Stück, bitte. Falls Sie so viele haben. Sonst reicht mir auch eine. Nein, nein, behalten Sie das Wechselgeld.«

15. Kapitel
    An meinem Geburtstag gratulieren mir Ashley und Nikita frühmorgens noch vor dem Unterricht. Sie setzen sich zu mir auf das schmale Bett im Mill Creek Manor, küssen mich schmatzend, öffnen eine Flasche Sekt und schneiden einen großen Kuchen mit einem Clownsgesicht aus Zuckerguss an. Ein fürchterliches Frühstück, aber ich probiere trotzdem pflichtschuldig. Der Sekt kribbelt in meiner Nase, und Zuckerkrümel fallen aufs Laken. Dann zieht Nikita ein großes weiches Paket hervor, das sie unter ihrem Bett versteckt hatte. Es ist ein Morgenmantel mit Wolkenmuster, genau wie ihrer, aber rosa statt hellblau. Ich fange vor Rührung fast an zu weinen.
    Für den Abend hat Nikita eine Runde durch die Pubs im Zentrum geplant, und dieser Plan wird auch in die Tat umgesetzt, weil wir fast immer das tun, was Nikita will. Ihr Hintergedanke dabei ist, dass ich lernen soll, welche Bars der Stadt Studentenkneipen sind und in welchen eher andere Kreise verkehren.
    »Es ist der Unterschied zwischen ›town‹ und ›gown‹. Diese Aufteilung gibt es mehr oder weniger in fast allen Universitätsstädten«, erklärt Ashley und zieht seinen Blazer enger um den Körper. Der eisige Wind fährt uns unter die Kleider und weht Nikita ein paar widerspenstige Haarsträhnen ins Gesicht.
    »Ja. Alteingesessene gegen Akademiker«, lächelt sie. »Der uralte Hass.«
    Sie geht in der Mitte und hat uns beide untergehakt. Sie bewegt sich in kleinen Hopsern vorwärts. Das passt zu ihr. Weiter, immer weiter zum nächsten Vergnügen. Ein Bus voller verdrossener Gesichter braust auf der breiten Durchgangsstraße vorbei. Arbeiter, die von ihrer Schicht aus der Autofabrik kommen. Ich bibbere und denke, dass ich mir ein Paar Stiefel kaufen sollte. In Skardala habe ich im Herbst nie so gefroren.
    Eine junge Mutter mit einem klobigen, altmodischen, schwarzen Kinderwagen kommt uns unter einer Straßenlaterne entgegen, und wir lösen unsere kleine Menschenkette auf, um sie vorbeizulassen.
    »Und die da?«, tuschelt Ash mir ins

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