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Abschiedskuss

Abschiedskuss

Titel: Abschiedskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Hellberg
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fort:
    »Diese Frau warf einen Blick auf uns. Wir saßen auf großen Kissen und kamen uns lächerlich vor. Sie setzte sich dazu, verschränkte die Arme und weigerte sich.«
    »Sie verweigerte sich?«
    »Ja, sie weigerte sich, uns ihre berüchtigten ›Babytropfen‹ zu verkaufen. Das war irgendein sirupähnliches Gebräu. Ein Naturheilmittel. Doreen wollte so gerne, dass wir es versuchen, eine ihrer Freundinnen … Nun ja. Zu guter Letzt habe ich eingewilligt. Ich ertrug es irgendwie nicht länger, sie so traurig zu sehen. So ohne Hoffnung.«
    Oh, denke ich. Egal was. Er tut alles für seine Doreen. Um einen kleinen Sonnenstrahl zu sehen, der ihr Gesicht von innen wärmt.
    »Nein, sagte diese Hippiefrau zu uns«, nimmt King den Faden wieder auf. »Das ist nichts für Sie. Sie glauben ohnehin nicht an so etwas, das spüre ich.« Während er das erzählt, zuckt er amüsiert mit den Achseln.
    »Es wäre vollkommen zwecklos, sagte sie. Wirkungslos. Bei Leuten wie uns. Wir sollten uns lieber einen Welpen zulegen, meinte sie. Sofort, am besten noch am gleichen Tag. Und damit war unser Besuch bei ihr auch schon zu Ende.«
    Der Inspektor lacht.
    »Und haben Sie das getan?«, frage ich atemlos.
    »Ich rief noch am selben Abend einen Kollegen an. Seine Schwiegermutter züchtet Hunde. Am nächsten Tag kam ich mit einem kleinen Border Terrier nach Hause, den wir, nach Doreens Lieblingsregisseur, Alfred nannten. Es dauerte nicht länger als eine Viertelstunde, da war der Hund die neue Hauptperson in der Familie«, sagt King und lächelt herzlich, ehe er weiterspricht.
    »Doreen und ich schliefen vollkommen erschöpft zwischen zerkauten Pantoffeln und Pfützen, die Alfred hinterlassen hatte, ein. Wir vergaßen vollkommen, die Temperatur zu messen und die Tage ihres Zyklus auszurechnen. Im nächsten Monat erschien ein großer knallblauer Streifen auf ihrem Schwangerschaftstest, und dieser Streifen war Junior.«
    Er deutet mit der Hand auf ein Café, das Red Roaster heißt.
    »Und was wurde aus der Frau, der ich ähnlich sehe?«, frage ich.
    »Die heilkundige Hippiefrau? Sie ist nicht mehr da. Vielleicht ist sie ja in Rente gegangen oder hat den Styx überschritten. Ihr Laden hat sich in eine Burgerbar für Veganer verwandelt. Schade. Denn eigentlich wollten wir uns richtig bei ihr bedanken. Ich werde sie nie vergessen. Nie«, sagt er und bestellt dann an der Theke Kaffee und Möhrenkuchen für uns beide.
    »Und wieso, wenn ich fragen darf, fühlen Sie sich durch mich … an sie erinnert?«, erkundige ich mich mit einem gezwungenen Lächeln, während ich auf einen Tisch am Fenster zusteuere.
    »Ihre Ausstrahlung«, erwidert King rasch. »Etwas, das sich schwer beschreiben lässt … man könnte es vielleicht eine Art Aura nennen. Etwas, das mir sagt, dass ich auf Sie hören sollte, wie verrückt Ihre Äußerungen auch klingen mögen. Eine gewisse Gelassenheit, obwohl Sie nach außen hin ziemlich nervös, ja beinahe misstrauisch wirken. Sie verfügen über einen gesunden Menschenverstand und einen stabilen moralischen Kompass. Glaube ich.«
    Man kann gerade noch die stahlblauen Wellen erkennen und den Pier, der sich im grauen Nebel abzeichnet. Ich habe den Stuhl so hingestellt, dass mein Blick durch die großen Fenster fällt. In dem mit alten Kaffeemühlen dekorierten Café herrscht zum Glück nicht sehr viel Betrieb. Ein kalter Regen beginnt vor den Fenstern schräge weiße Linien zu zeichnen, die Fußgänger spannen ihre Regenschirme auf, klappen die Kragen hoch und beschleunigen ihre Schritte. King wärmt sich seine Finger an der Tasse.
    »Nun«, beginne ich. »Es ist Folgendes. Ich glaube, meine Mutter hatte eine Verbindung nach Oxford. Ich weiß nicht, wie ich darauf komme. Ich kann es nicht richtig erklären. Aber es ist so. Sie war dort.«
    »Tja. Unmöglich ist das nicht …«, meint Steve zögernd.
    Wir reden nicht weiter, denn plötzlich entdecke ich eine mir seltsam vertraute Gestalt, drüben, auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig. Bei ihrem Anblick zucke ich zusammen. Eine gescheiterte Existenz, eine Person, die sich nicht bewegt wie andere. Sie erinnert an einen ungewöhnlich energischen Zombie.
    Das ist er.
    Halt ihn auf.
    Mach, dass er stehenbleibt.
    Mach, dass er dich sieht.
    Mach, dass er hierherkommt.
    King versucht etwas zu sagen, aber ich hebe die Hand, und er verstummt sofort. Ich versuche mir einzureden, dass mein Blick eine eigene Kraft besitzt, dass ich diese Person durch reine Willensaufbietung dazu

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