Abschlussfahrt
hinaufgehen.
»Klar«, antwortet Sascha und drückt ihm die Dose in die Hand.
»Was ist das denn? San Miguel? Das ist doch spanisches Bier. Woher hast du das denn?«
»Na, aus dem Laden.«
»Was denn für ein Laden?«
»Na, draußen, direkt neben dem Eingang. Ein Euro das Stück.«
»Es gibt hier einen Laden, der Bier verkauft? Ja, warum sagt uns das denn keiner, verdammt?«
»Hat aber nur bis acht auf. Gehört dem Herbergsvater. Sehr cooler Typ, übrigens. Aber das werdet ihr gleich selbst sehen. Hier lang.«
Wir biegen links ab. Sascha bleibt vor einer geschlossenen Tür stehen und gibt uns ein Zeichen, ebenfalls stehen zu bleiben. Er klopft leise an die Tür. Sie öffnet sich, ein Kopf schiebt sich heraus, es ist Dressel.
»Ach, ihr seid’s. Immer rein in die gute Stube.«
Wir gehen hinein, er schließt die Tür hinter uns. Direkt vor uns stehen in einer Reihe vier Jungs aus unserer Klasse. Ich höre seltsame, undefinierbare Geräusche, das Licht im Raum flimmert, irgendwo muss ein Fernseher stehen.
»Jetzt macht doch mal Platz!«, ruft Sascha und schiebt die Jungs auseinander. »Wir sehen doch gar nichts!«
Oh, doch. Ich sehe es. Ganz deutlich. Und jetzt weiß ich auch, wo die Geräusche herkommen und was sie verursacht.
»Pornazzi.«
Signore Andreoli. Der Herbergsvater. Er sitzt in einem gemütlichen Sessel vor einem großen Fernseher und winkt uns zu.
»Pornazzi«, wiederholt er, reckt grinsend einen Daumen in die Luft und zeigt auf den Fernseher.
Allerdings. Unübersehbar und ganz eindeutig. Pornazzi.
»Ja, wie geil ist das denn!«, jubelt Marlon. »Der Alte zieht sich hier die Pornos rein.«
Auf dem Bildschirm vögelt gerade irgendein hässlicher Kerl eine nicht ganz so hässliche Frau, die sich vornüber gebeugt an den Streben eines Gartenpavillons festhält. Schnitt. Großaufnahme.
»Ey, das ist ja richtig Hardcore!«, stellt Lars erfreut fest.
Oh ja, das ist es.
Man sieht alles. Wirklich alles. Und das meine ich jetzt nicht unbedingt positiv. Es gibt Körperteile, die will ich gar nicht in Großaufnahme sehen, schon gar nicht, wenn es fremde sind.
»Läuft das hier etwa im Free- TV ?«, frage ich erstaunt in die Runde.
»Sieht ganz so aus«, antwortet Sascha. »Die sind echt cool drauf, die Italiener.«
»Quatsch«, sagt Dressel. »Das ist so was wie Premiere. Die zeigen doch abends um zehn keine Hardcorepornos im Free- TV .«
»Ist doch scheißegal«, sagt Marlon. »Hauptsache, es läuft.«
»Achtung, gleich kommt er!« Lars zeigt aufgeregt auf den Bildschirm.
Und wieder etwas, was ich nicht sehen muss. Erst recht nicht in Großaufnahme und am Ende vielleicht noch in Zeitlupe. Echt jetzt. Wenn etwas zu genau gezeigt wird, verliert es doch komplett seinen Reiz. Von der mangelnden Ästhetik primärer männlicher Sexualorgane mal ganz abgesehen. Nein, das brauche ich wirklich nicht, absolut nicht mein Fall.
Die Jungs johlen und klatschen laut. Der hässliche Kerl ist anscheinend fertig. Sehr gut, dann kann ich ja wieder hingucken.
Eine Schwarzhaarige erscheint auf der Bildfläche. Sie steigt in eine U-Bahn. Der Wagen ist leer, bis auf einen Typ im Anzug. Na, was da wohl gleich passieren wird?
Sie stellt sich genau vor den Anzugtyp an eine dieser Stangen zum Festhalten, obwohl der Wagen, wie gesagt, völlig leer ist und sie sich überall hinsetzen könnte. Sehr realistisch. Jetzt hat sie eine Laufmasche in ihrer Strumpfhose entdeckt und zieht ihren ohnehin schon sehr kurzen Minirock bis ganz nach oben. Der Typ im Anzug starrt auf ihre Beine. Sie lächelt ihn an und sagt etwas. Auf Italienisch.
»Was hat sie gesagt?«, fragt Lars aufgeregt.
»Ist doch fuckegal, was sie gesagt hat«, zischt Marlon. »Sonst spulst du solche Stellen doch eh vor. Die sollen endlich ficken. Braucht doch kein Mensch, dieses ganze Gelaber.«
Die Schwarzhaarige hat sich mittlerweile ihrer Strumpfhose entledigt. Sie zieht eine neue aus ihrer Handtasche, kriegt aber die Verpackung nicht auf. Keine Frage, bei solch einem kniffligen Problem kann ihr nur ein Mann helfen. Gut, dass zufällig gerade einer dasitzt. Man stelle sich nur vor, die U-Bahn wäre komplett leer gewesen. Die arme Frau müsste ohne Strumpfhose nach Hause fahren.
»Mann, heute noch!«, stöhnt Marlon.
»Jetzt wart’s doch mal ab«, sagt Dressel. »Das gehört halt dazu, von wegen der Spannung und so.«
»Ja, super«, erwidert Marlon. »Wenn ich Spannung will, guck ich ’n Thriller.«
Der Typ im Anzug entpuppt sich in der
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