Abschlussfahrt
dem Mäuschen?«, fragt Nele leise. »Die schmachtet dich immer noch an. Willst du nicht mal rübergehen?«
Ein kurzer Blick nach drüben. Tatsache, sie lächelt immer noch in meine Richtung. Aber irgendwie sieht sie plötzlich gar nicht mehr so toll aus. Und das wäre jetzt auch total verkrampft, wenn ich rübergehe und mit meiner Vier in Franz versuche sie anzusprechen. Außerdem ist es mit ihr bestimmt nicht halb so lustig wie mit Nele gerade.
»Ach, nee, lass mal stecken«, sage ich lächelnd. »Die ist wahrscheinlich total langweilig.«
Nele grinst.
Mein Blick fällt auf Marlon und Henny. Er hat seine Arme um ihren Bauch geschlungen. Hält er sie jetzt nur fest, damit sie nicht runterrutscht, oder ist das mehr?
»Sag mal«, flüstere ich Nele zu. »Läuft da etwa was zwischen Marlon und Henny?«
Sie schaut ebenfalls kurz zu ihnen hinüber.
»Keine Ahnung. Könnte man fast meinen.«
»Aber sie hat nichts zu dir gesagt oder so?«
Nele schüttelt den Kopf. »Aber mit ihrem Freund ist Schluss.«
Aha, okay, dachte ich mir doch. Einerseits gut, dass sie diesen Schleimer los ist, andererseits gar nicht gut, denn das bedeutet, sie ist frei und es könnte tatsächlich was zwischen ihr und Marlon laufen. Halt. Stopp. Wieso mache ich mir darüber überhaupt Gedanken? Es geht mich doch gar nichts an. Henny ist Geschichte. Besser gesagt, ich bin Geschichte für Henny. Geschichte, die noch nicht mal stattgefunden hat.
»Du wolltest mal was von ihr, oder?«, fragt Nele.
Ich nicke.
»Immer noch?«, hakt sie nach.
»Nein«, sage ich bestimmt.
Eigentlich nicht. Aber warum macht mich der Anblick von ihr auf Marlons Schoß dann so nervös? Alte Gewohnheit? Ein Rückfall? Hoffentlich nicht. Es hat lange genug gedauert, bis ich mich von ihrer Abfuhr erholt hatte.
»Dann ist’s ja gut«, erwidert Nele lächelnd.
Wie jetzt? Wie darf ich das denn verstehen? Wieso findet Nele es gut, dass ich nicht mehr in Henny verliebt bin? Das klingt ja so, als wäre es schädlich, in Henny verliebt zu sein. Gut, war es im Endeffekt auch, für mich. Aber das kann sie ja wohl kaum gemeint haben. Das klang irgendwie eher so, als hätte sie etwas gegen Henny, aber das kann eigentlich nicht sein.
»Gut?«, frage ich. »Ich dachte, ihr seid Freundinnen?«
»Was? Ach so … Nein … Sind wir ja auch. Ich meinte, gut, dass du nicht mehr unglücklich verliebt bist. Weil das nämlich ein Scheißgefühl ist.«
»Allerdings«, stimme ich ihr zu. »Ist dir wohl auch schon passiert?«
»Das passiert mir ständig«, seufzt sie. »Könnte man fast schon als Hobby bezeichnen.«
Komisch, daran habe ich irgendwie noch nie gedacht. Dass Nele verliebt sein könnte. Wir haben auch noch nie großartig über dieses Thema gesprochen, bis gerade eben.
»Irgendjemand dabei, den man kennt?«, frage ich vorsichtig.
»Nein, niemand aus der Schule«, antwortet sie.
Mist, das hätte mich jetzt doch mal interessiert.
»Aber zurzeit nicht, oder?«, will ich noch wissen.
»Nein, zurzeit ausnahmsweise mal nicht.«
Jetzt lächelt sie.
Sascha kommt an unseren Tisch, eine Bierdose in der Hand.
»Jungs, das müsst ihr gesehen haben!«, sagt er hektisch. »Los, kommt mit!«
Was ist denn mit dem los? So aufgeregt habe ich Sascha ja noch nie erlebt. In der Schule hat man ständig den Eindruck, er wolle die Cannabispflanzen in seinem Zimmer nicht beim Wachsen überholen. Und er redet auch sonst immer so langsam, dass man nach einer Fernbedienung mit Schnellvorlauftaste sucht.
»Na los, kommt schon!«, drängt er. »Sonst ist es vorbei!«
Ein kurzer Blickwechsel mit den anderen, dann stehen wir auf, die Mädels auch.
»Sorry«, sagt Sascha. »Nur für Jungs.«
»Ja, genau«, grinst Henny. »Vergiss es. Wir kommen mit.«
»Nein, das geht echt nicht!«, erwidert Sascha fast schon panisch. »Wenn ihr mitkommt, platzt die ganze Sache sofort!«
Die Mädels schauen uns fragend an. Wir zucken hilflos mit den Schultern.
»Ganz toll«, motzt Henny. »Erst unseren Prosecco saufen und uns dann im Stich lassen.«
»Was ist jetzt?«, drängt Sascha. »Können wir?«
Er läuft langsam los. Wir folgen ihm unter Hennys vorwurfsvollen Blicken.
»Hey, wo geht ihr denn hin?«, ruft Lars uns vom Tisch der Französinnen zu. »Wartet, ich komm mit!«
Lars schließt zu uns auf. Diego macht keinerlei Anstalten, uns zu folgen, es läuft wohl sehr gut mit der Blonden.
»Krieg ich ’nen Schluck?«, fragt Marlon und zeigt auf Saschas Bierdose, als wir die Treppe
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